Kryptum
nicht mehr arbeiten, sich davon verabschieden konnte, je dafür entlohnt zu werden, da man so einen wunderbaren Vorwand gefunden hätte. Inmitten dieser Streitigkeiten starb er, und seine Familie blieb schutzlos zurück. Nur Herrera steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Allerdings ist es nicht einfach, Turrianos |688| ausstehende Forderungen einzutreiben. Artal versucht mit allen Mitteln, dies zu unterbinden. Herrera läßt sich von ihm jedoch nicht einschüchtern. An Artal vorbei hat er eine Audienz beim König erwirkt und ihm die Sachlage erklärt, worauf Philipp II. befohlen hat, ein Verzeichnis aller Pläne und Erfindungen des Baumeisters zu erstellen, damit so bestimmt werden konnte, wieviel man ihm schuldete, und seine Frau und die Kinder nicht in Not und Elend gerieten und den Hungertod starben. Dies ist einer der Gründe, warum Herrera nach Antigua gekommen ist. Überdies hat er sich ja auch noch um die Pläne für die Plaza Mayor zu kümmern, die ganz in der Nähe der Kathedrale erbaut werden soll.«
»O Gott, wie bitter!«
Raimundo Randa verstummt. Erinnerungen an Turriano werden in ihm wach, seine erste Begegnung mit ihm in Cuacos nahe dem Kloster San Jerónimo de Yuste, das Wiedersehen in Antigua … Wehmütig blickt er seine Tochter an.
»Juan de Herrera ist also der einzige, der Artal die Stirn bieten kann. Warum hat er mich dann denunziert?«
»Das habe ich Euch doch schon erzählt: um Euer Leben zu retten«, antwortet Ruth ernst. »Das ist eine lange und ziemlich verwickelte Geschichte, Vater. Nach Eurer Rückkehr überstürzten sich die Ereignisse. Herrera mußte vor allem eins:Zeit gewinnen.«
»Und warum?«
»Ihr erinnert Euch doch sicher noch daran, was geschah, nachdem Ihr Euch etwas vom ersten Schmerz über Mutters Verlust erholt hattet. Wir erzählten Euch von den Anklagen, die man aufgrund von Artals Berichten gegen Euch erhoben hatte und die Euch als Renegaten auswiesen. Euch wurde zur Last gelegt, mit zwei der größten Feinde des Königs, mit Euldj Ali und seinem Statthalter Alcuzcuz, auf freundschaftlichem Fuße zu stehen. Man hatte Euch in Algier mit ihnen gesehen. Kaum hattet Ihr vernommen, in welch großer Gefahr Ihr Euch befandet, erzähltet Ihr Rafael und mir in groben Zügen vom Schatz des Gotenkönigs Rodrigo, der noch immer in den |689| Tiefen Antiguas verborgen sein mußte. Da Ihr bloß in Andeutungen gesprochen und Euch vor Aufregung ständig verhaspelt habt, verstanden wir nur, daß Ihr diesen Schatz auf Biegen und Brechen heben wolltet.«
»Ja, das war mein oberstes Ziel. Und nicht nur wegen all der Edelsteine und der Dukaten, die wir so nötig brauchten, sondern auch um der Gerechtigkeit willen. Ich wollte mir auf eigene Faust Recht verschaffen, damit all meine Anstrengungen, die Qualen und Opfer, die ich auf mich genommen hatte, sich wenigstens irgendwie auszahlten, wenn sich schon mein größter Wunsch – mit deiner Mutter und dir in Ruhe und Frieden zu leben – nicht mehr erfüllen ließ. Und ich wollte meine und eure Unschuld beweisen und Artal de Mendozas finstere Machenschaften aufdecken. Denn wie sollte mir irgend jemand Glauben schenken, wenn ich keine handfesten Beweise meiner Abenteuer vorlegen konnte? Wenn ich den Schatz finden würde, hätte ich ein wertvolles Unterpfand, mit dem ich euch und mich selbst auslösen könnte.«
»Ich weiß, Vater. Was ich aber noch immer nicht ganz verstehe, ist, warum Ihr einen so seltsamen Plan verfolgt habt.«
»Weil durch die Casa de la Estanca kein Zugang mehr möglich war. Ich sah mich deshalb gezwungen, nach den anderen Eingängen zu suchen, das heißt, die Gebäude ausfindig zu machen, an denen ehedem die Morisken die Zeichen angebracht hatten, bevor die Toledanos wie alle ihre Glaubensbrüder aus ihrer Heimat vertrieben wurden und das Pergament in zwölf Keile zerschnitten wurde.«
»War das nicht ziemlich unvorsichtig?«
»Es war jedenfalls am unverfänglichsten. Ich fand, der beste Weg, damit niemand Verdacht schöpfte, sei es, eine Schar Maurer damit zu beauftragen, die wußten, wie die Morisken früher gearbeitet hatten, und deshalb die Zeichen erkennen konnten. Da sie darüber hinaus allerorts Ausbesserungsarbeiten durchführten, konnten sie unauffällig in der ganzen Stadt nach ihnen suchen. Um euch nicht in Gefahr zu bringen, versteckte ich mich im Hause des Maurermeisters, wo sie mir |690| jeden Tag Bericht erstatten und sich mit mir beraten konnten. So erfuhr ich also, an welchen Gebäuden die Morisken
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