Kryptum
mit Ziegelsteinen Teile des Labyrinths nachgebildet hatten. Sie standen alle um den Marktplatz herum: der Alkazar, das Convento de los Milagros und die Kathedrale. Da fiel mir wieder ein, was Rubén Cansinos mir in Fes über einen unterirdischen Gang erzählt hatte, der alle gekennzeichneten Gebäude miteinander verbinde und in einen tiefen Schacht münde, von wo aus man bis zum Schatz vordringen könne. Also mußte es eine unterirdische Verbindung zwischen der Casa de la Estanca, dem Alkazar, dem Kloster und der Kathedrale geben und einen Schacht, in den dieser Gang mündete. Und dieser Schacht mußte irgendwie mit dem Fluß verbunden sein, denn dort, so heißt es, fließe das Wasser der Casa de la Estanca ab.«
»Ich verstehe«, murmelt Ruth. »Laßt mich aber jetzt zu den Gründen zurückkommen, warum Herrera Euch verraten hat. Er hat mir letzte Nacht die ganze Geschichte erzählt, während ich den Teppich für Euch fertigwebte.
Die Schwierigkeiten begannen mit den Maurern, von denen Ihr spracht. Ihre Suche nach den Zeichen verlief nämlich nicht so unbemerkt, wie Ihr dachtet, sie erregte vielmehr den Argwohn von Artals Spionen. Artal de Mendoza beauftragte daraufhin Zenturio, sich an die Fersen der Maurer zu heften. Und dabei fiel diesem etwas auf: Freitags arbeiteten sie nie. Das machte ihn stutzig, weshalb er sich umzuhören begann, wo der Trupp sich in der Vergangenheit überall verdingt hatte. Unter Androhung von Gewalt verschaffte er sich Einblick in die einzelnen Auftragsbücher, in denen stets derselbe Satz geschrieben stand: ›Am Freitag sind die Maurer nicht gekommen, weil es so stark regnete, daß sie nicht weiterarbeiten konnten.‹ Nie schien es donnerstags geregnet zu haben oder samstags oder an irgendeinem anderen Wochentag. Zenturios Verdacht, daß es damit irgendeine besondere Bewandtnis hatte, erhärtete sich noch, als er erfuhr, daß die Maurer alle miteinander verwandt waren. Deshalb ließ er sie fortan nicht mehr aus den Augen und folgte ihnen heimlich überallhin, so daß er |691| bald dahinterkam, daß sie sich freitags immer im Haus desjenigen versammelten, der ihr Meister zu sein schien. Kaum war dieser am Tag darauf zur Arbeit gegangen, da drang Zenturio zusammen mit einigen von Artals Schergen in sein Haus ein. Sie durchsuchten jeden Winkel und stießen dabei auf eine Geheimtür, hinter der sich eine große Kammer verbarg. Darin fanden sie eine komplett eingerichtete Buchbindewerkstatt, mit Presse und sämtlichen Gerätschaften, die es dafür brauchte, wie Papiersiebe, Messer, Reiber, Pinsel und Leim. Auch entdeckten sie auf einem Pult mehrere Pergamente, auf denen jemand begonnen hatte, fein säuberlich Verse aus dem Koran niederzuschreiben; und außerdem gab es eine ganze Sammlung von arabischen Handschriften und eine Gebetsnische mit Predigtstuhl, vor der zahlreiche Teppiche lagen und wo sich die Morisken heimlich zum Gebet trafen.«
»In dieser Kammer hielt ich mich versteckt«, erinnert sich Randa. »An dem Tag, als Zenturio und seine Männer kamen, merkte ich Gott sei Dank frühzeitig, was im Haus vor sich ging, so daß mir genug Zeit blieb, mich in einem Hohlraum unter dem Fliesenboden der Kammer zu verbergen. Der Maurermeister hatte ihn mir gleich anfangs gezeigt, und du weißt ja, eine Maus, die nur einen einzigen Schlupfwinkel hat, wird schnell geschnappt. Irgendwie mußte ich auch eine düstere Vorahnung gehabt haben, weshalb ich dir und Rafael ein paar Tage zuvor einige der Pergamentkeile anvertraut hatte. Ihr habt sie doch noch, oder?«
»Natürlich, Vater, seid ganz unbesorgt. Was danach geschah, könnt Ihr Euch leicht vorstellen. Artal nahm die Morisken fest und fand bei ihnen die anderen Keile, die Ihr ihnen gegeben hattet, damit sie die Schriftzeichen erkennen konnten. Von Rengifo, der den Beinamen ›der Bluthund‹ trägt, weil er sich damit brüstet, über tausend Menschen gefoltert zu haben, wurden sie dann ins Verhör genommen. Und so brauchte dieser grausame Henker auch nur kurze Zeit, bis er jeden der Maurer in eine kaum noch zu erkennende blutige Fleischmasse verwandelt hatte. Er spannte sie auf die Folterleiter und |692| drehte so lange an dem Rad zum Zerren der Glieder, bis er ihnen Euer Versteck entlockte. Obwohl Artal nun wußte, wo Ihr zu finden wart, zögerte er; denn wenn man Euch verhaftete, müßte er Euch der Inquisition übergeben und hätte Euch so nicht mehr länger in seiner Gewalt. Und dann würdet Ihr sicher reden und seinen Verrat am König
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