Kryptum
sie gerade vernichten, damit sie ihn nicht belasten konnten, wenn die Amerikaner sie bei ihm fanden, als Abraham Toledano ihm durch einen Schweizer Mittelsmann eine ansehnliche Summe dafür bot. Speer verkaufte sie ihm, wollte aber nicht verraten, |86| wo er sie herhatte. Nicht einmal nach den Nürnberger Prozessen, wo Speer zu zwanzig Jahren Haft im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Spandau verurteilt wurde. Abraham Toledano war von Anfang an klar, daß diese Papiere etwas mit Spanien zu tun hatten, weshalb er sie aufs genaueste analysieren wollte, ohne Aufsehen zu erregen. Von offizieller Seite aus gewährte man ihm keinerlei finanzielle Unterstützung, man erlaubte ihm aber, daß mein Vater ihm zur Hand ging, den er ebenfalls aus seiner eigenen Tasche bezahlte. So begannen sie, diese Dokumente zu studieren.«
»Wie alt war Ihr Vater damals?«
»Er war noch sehr jung, um die zwanzig. Aber er war schon sehr gut. Er hatte bei Abraham Toledano semitische Sprachen studiert und war dessen Lieblingsschüler geworden, seine rechte Hand. Mein Vater hatte seine ganze Familie im Spanischen Bürgerkrieg verloren. Abraham adoptierte ihn und nahm ihn mit in die Vereinigten Staaten. Was danach geschah, verstärkte diese Bindung nur noch mehr.«
»Ich habe irgendwo gehört, daß Abraham Toledano in jenen Jahren an der Gründung des Staates Israel beteiligt war.«
»Nur hinter den Kulissen. Als man anfing, von einem Staat Israel zu reden, war noch nicht klar, wo dieser angesiedelt werden sollte, auch wenn einige schon mit Bestimmtheit von Jerusalem sprachen. Abraham befürwortete diesen Gedanken, was viel mit diesen Dokumenten zu tun hatte. Als er sie näher erforschte, entdeckte er Unglaubliches: Mitte des 16. Jahrhunderts hatte es das erste ernsthafte Projekt gegeben, die in aller Welt verstreut lebenden Juden in Palästina anzusiedeln. Und Abrahams Vorfahren, die Toledanos, hatten es zu verwirklichen versucht! Während der Regierungszeit Philipps II., ein halbes Jahrhundert nach der Vertreibung der Juden 1492, hatte Spanien, das mächtigste Königreich seiner Zeit, den Anstoß zur Schaffung eines jüdischen Staates gegeben. In Abraham Toledanos Augen verlieh dies dem Staat Israel eine entscheidende historische Legitimation. Es war sehr verführerisch, eine Parallele zu dem Imperium aufzustellen, das gerade den Zweiten |87| Weltkrieg gewonnen hatte: die Vereinigten Staaten von Amerika.«
»Ich glaube, jetzt verstehe ich Saras Rolle bei der geplanten Friedenskonferenz besser«, sagte Bealfeld.
»Sagen Sie lieber, Sie fangen an, sie zu verstehen, denn das ist noch lange nicht alles. Mit dieser ersten Analyse der Dokumente schien sich Abraham Toledano zufriedengegeben zu haben. Vielleicht hatte man ihm auch geraten, es dabei zu belassen, als Israel Gestalt anzunehmen begann. Aber mein Vater wollte sich damit
nicht
zufriedengeben. Sie hatten einen heftigen Streit, nachdem Pedro sich hinter seinem Rücken alles noch einmal genau angeschaut hatte und dabei zu der Auffassung gelangt war, daß es bei den Bemühungen zur Schaffung eines jüdischen Staates in der Epoche Philipps II. einen geheimen Teil gegeben haben mußte, der nie an die Öffentlichkeit gedrungen war und letztlich das ganze Projekt zum Scheitern brachte. Er behauptete, der Schlüssel zu diesem Geheimnis liege in jenen drei Pergamentkeilen.«
»Moment, meinen Sie damit die drei Keile, die in der NSA unter Verschluß gehalten werden und so aussehen wie die, die Sara Ihnen geschickt hat? Das ist schwer zu glauben.«
»Ich könnte es auch nicht glauben, wenn ich nicht wüßte, was danach geschah … Die Dinge gestalteten sich immer komplizierter … Meinem Vater kam der Verdacht, sein ehemaliger Mentor wolle nicht, daß irgend jemand von diesem Geheimnis erführe, um die Gründung des Staates Israel nicht zu gefährden. Es schien nicht nur zur Zeit Philipps II. die Macht gehabt zu haben, das Vorhaben zu vereiteln, sondern auch noch vier Jahrhunderte später. Jedenfalls distanzierten sich die beiden gegen Ende der fünfziger Jahre immer mehr voneinander. Mein Vater muß darunter sehr gelitten haben, denn Sara geriet dadurch zwischen die Fronten. Und vermutlich war es ihr genauso ergangen …«
David hielt inne und betrachtete eine Weile gedankenverloren das Foto. Er seufzte, bevor er fortfuhr:
»Nun denn … Ich will mich kurz fassen. Da Abraham Toledano |88| meinen Vater unbedingt von dieser Sache abbringen wollte, kam es ihm sehr zupaß, daß man in der NSA
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