Kryptum
alten Palast direkt neben der Casa de la Estanca, dem alten Wasserturm der Stadt. Seine Beziehungen zum Nahen Osten pflegte er auch weiterhin. Ebenso wie die zu Deutschland: Er war unter anderem eng mit Albert Einstein befreundet, den seine Relativitätstheorie weltberühmt gemacht hatte. Als er vor den Nazis fliehen mußte, schlug Abraham Toledano der Regierung der Spanischen Republik vor, einen Lehrstuhl für ihn einzurichten.«
»Und wann ist er in die Vereinigten Staaten gegangen?«
»In NewYork hat er sich erst nach dem Spanischen Bürgerkrieg niedergelassen. In der
Guerra Civil
kämpfte er gegen die Nationalen. Ich glaube, damals begann er seine Einstellung zu ändern. Vielleicht auch erst nach dem Holocaust. Unter Umständen |84| war es auch die Atombombe, denn einige seiner Freunde waren am Manhattan-Projekt beteiligt. Oder seine Ehe mit Peggy. Oder als er sah, was im Laufe der Jahre aus seiner kleinen Tochter Sara wurde. Ich kann es nicht sagen. Jedenfalls veränderte er sich.«
»Wann errichtete er diese Stiftung?«
»Dieses Gebäude hier ließ er in den fünfziger Jahren erbauen, nachdem er das beachtliche Familienvermögen geerbt hatte. Es war eine sehr gute Investition, ein Grundstück mitten auf dem Land, mit vielen Wiesen, Wäldern und einem See. Und trotzdem nur fünfzig Meilen von NewYork entfernt. Vermutlich tätigte er diesen Kauf aus steuerlichen Gründen. Und weil er für die Dinge, die er nach und nach erworben hatte, Platz brauchte. Er war ein großer Sammler, spezialisiert auf Dokumente aus dem Nahen Osten. Die Sprachen dieser Region bargen kein Geheimnis für ihn. Er hat im Laufe seines Lebens über 3500 Handschriften gesammelt. Wahre Raritäten.«
»Darunter die Pergamentkeile, von denen Sara in ihrem Brief spricht …«
»Welche die NSA einbehielt? Das stimmt so nicht ganz. Diese Fragmente und eine ganze Reihe anderer Dokumente fand er zwischen 1944 und 1946. Im Sommer 1944, als sich das Ende des Zweiten Weltkriegs bereits abzuzeichnen begann, gründete der Generalstab in Washington in aller Heimlichkeit einen Ausschuß, das
Target Intelligence Committee,
kurz TICOM. Seine Aufgabe war es, möglichst viel deutsches kryptographisches Material zu erbeuten: Chiffriermaschinen wie die deutsche Enigma, Krytpoanalysen, Chiffren … Es war ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Russen taten genau das gleiche, nur vom anderen Ende des Landes aus. Auf diese Art bemächtigte sich die Army Security Agency sehr wertvollen, geheimdienstlich relevanten Materials, das in den fünfziger Jahren in den Besitz der Nachfolgeorganisation dieses Dienstes überging, der heutigen National Security Agency. Einige der dort verwahrten Schätze sind streng geheim und bis heute nicht freigegeben worden.«
|85| »Die Fristen dafür sind doch längst abgelaufen«, wandte Bealfeld ein.
»Nicht einmal das hat etwas geändert. Sicher ist James Minspert dafür verantwortlich. Er hat schon mit meinem Vater bei der NSA gearbeitet, und er war so etwas wie mein Chef, während ich dort angestellt war. Jedenfalls hat man in der NSA entschieden, die Sperrfrist für diese Dokumente keinesfalls vor 2012 aufzuheben.«
»Das macht sie zum letzten großen Geheimnis des Zweiten Weltkriegs.«
»So ist es. Das himmelschreiende Unrecht daran ist allerdings, daß diese gesperrten Archivbestände in Wirklichkeit Abraham Toledano gehörten; er hatte sie aus seiner eigenen Tasche bezahlt, weil der kryptographische Dienst der USA ihnen damals keine Bedeutung beimaß. Abraham hatte viele jüdische Freunde durch den Holocaust verloren. Er war fassungslos angesichts dessen, was in Deutschland mit seinen Glaubensbrüdern geschehen war, und bot der
American Jewish
Conference
seine volle Unterstützung an, die seit 1943 alles daransetzte, die Juden zu retten, die die Massenvernichtung überlebt hatten. Durch diese Kontakte hörte er auch von diesen Papieren. Er kaufte sie und fügte sie zu einem Bestand zusammen, damit sie nicht aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen wurden. Und er hatte recht, denn mit der Zeit stellte sich heraus, daß diese Unterlagen voller dunkler Rätsel steckten. Und das allergrößte Rätsel bilden dabei drei Pergamentstücke in Form eines Keils, wie diese vier hier, die mir Sara geschickt hat.«
»Gibt es dafür irgendeinen besonderen Grund?«
»Nun, sie stammten aus dem Besitz von Hitlers Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Albert Speer. Er hatte sie bis dahin wie seinen Augapfel gehütet und wollte
Weitere Kostenlose Bücher