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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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und wenn deine Dienstboten es nicht wissen, wird im Zweifelsfall auf der Stelle nachgeschaut.
    Mein einziger Trost bei jener grausamen Prüfung war, daß Rebecca mich nicht vergessen hatte. Sobald Toledano und seine Getreuen meine Kammer verlassen hatten, schickte sie mir ihre Zofe mit ein paar Leckereien, und durch sie erfuhr ich auch von der Unterredung zwischen Askenazi und Don José.
    ›Bald wird man Euch eröffnen, warum man Euch verschont hat‹, schloß die Zofe ihren Bericht.
    Wenn man das als
verschonen
bezeichnen kann, dachte ich voller Groll, während ich vorsichtig mein Gemächt betastete.
    Mit der Zeit ließen die Schmerzen aber nach, und wenige Tage später bemerkte ich, daß vor meiner Kammer keine Wachen mehr postiert waren. Bei seinem nächsten Krankenbesuch begann Don José dann, vage Andeutungen zu machen, was seine Pläne mit mir betraf. Er fragte mich, ob ich reiten könne, und ich antwortete ihm wahrheitsgemäß, daß er keinen besseren Reiter in ganz Konstantinopel finden würde, wenn ich erst einmal genesen sei. Er sprach von Reisen, von einer |170| wichtigen Mission, und das mit so eindringlichen Worten, daß ich mir deswegen schon Sorgen zu machen begann. Ich wollte nicht fort. Mir ging es gut dort. Ich begehrte Rebecca, war geradezu verrückt nach ihr; in meinem ganzen Leben hatte noch nie jemand so viel für mich getan. Meine Arbeit als Druckergeselle und Hüter der Turmuhr war mehr als ehrenvoll und alles andere als anstrengend. Etwas Vergleichbares würde ich nirgendwo finden. Das Leben, das mich in meiner Heimat hätte erwarten können, war durch den gewaltsamen Tod meiner Familie für immer zerstört worden. Ich hatte nicht vor, nach Spanien zurückzukehren. Hier war ich daheim, Rebecca war mein Zuhause.
    Anscheinend wollte man mich auf die Probe stellen. Dies war eine von Askenazis Bedingungen gewesen. Der verschlagene Verwalter traute mir nicht. Deshalb wollten sie mir bis zu meiner Abreise aus Konstantinopel nichts über den Inhalt der Mission verraten, damit ich niemandem etwas zutragen konnte; erst an der adriatischen Küste, in Ragusa, würde man mich darüber in Kenntnis setzen. Eine Sache eröffnete man mir jedoch: Ich sollte meinen Freund Meltges Rinckauwer ersetzen, der sich gerade auf den Weg machen wollte, als er niedergestochen wurde.
    Der Tod des deutschen Druckers beschäftigte mich nach wie vor. Und dies nicht nur aufgrund der freundschaftlichen Gefühle, die ich für ihn gehegt hatte, sondern vor allem auch wegen des Geheimnisses, das seine rätselhaften Unternehmungen umgeben hatte. So begann ich, hier und da beiläufig ein paar Fragen zu stellen. Und obgleich niemand offen darüber redete, fand ich doch heraus, daß er nicht nur Folianten gedruckt und vertrieben hatte, sondern auch Flugblätter und andere Druckwerke und daß er den Handel mit Büchern dazu genutzt hatte, seine Kurier- und Agentendienste zu tarnen. Endlich verstand ich auch seine heimlichen Ausflüge in der Stadt, und ich fragte mich, worin seine Geschäfte mit José Toledanos Bruder Moisés wohl bestanden haben mochten. Der war im übrigen spurlos verschwunden, und niemand wollte mir über |171| seinen Aufenthaltsort Auskunft geben. Nun begriff ich auch, warum man mich nicht getötet hatte: damit ich mein Leben bei jenem Unterfangen aufs Spiel setzte. Ich würde Rinckauwers Platz einnehmen. Falls ein weiterer Hinterhalt auf ihn wartete, würde
ich
hineingeraten.
    Nach der geheimen Zusammenkunft der zehn Geschworenen im Haus der Toledanos war alles für die Reise des Druckers vorbereitet worden; sie ließ sich nicht mehr länger verschieben. Um die Stadt verlassen zu können, ohne daß mich Fartax’ Männer ergriffen, sollte ich Rinckauwers Geleitbrief nutzen. Reisen würde ich mit den Schiffen und Reisegruppen der Handelsgesellschaft meines Todfeindes Askenazi. Das alles teilte mir Don José mit, kaum daß ich genesen war. Seine Erklärungen schloß er mit den Worten:
    ›Ihr werdet Euch für Rinckauwer ausgeben. Und auf jede Frage, die unsere Brüder Euch stellen werden, gebt Ihr zur Antwort, daß die Rückkehr gerade vorbereitet wird.‹
    ›Und wenn sie mehr über diese Rückkehr wissen wollen?‹
    ›Seid unbesorgt, dieses Wort wird reichen, es ist eine Losung. Und das ist die Botschaft, die Ihr überbringen müßt.‹ Er reichte mir einen versiegelten Umschlag. ›Sie ist verschlüsselt; den Schlüssel dazu werdet Ihr erst in Ragusa erhalten. Man hat ihn noch nie zuvor benutzt; wenn er also

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