Kryptum
Informationszeitalter
, wahrscheinlich Quellcode nennen würden.
In meinem Buch möchte ich ausarbeiten, daß Nebukadnezar
derjenige war, der zwar den Tempel Salomos zerstörte (für die
Juden das Symbol, das auserwählteVolk zu sein), der aber auch
Babel wiederaufbaute (der letzte Mythos der Bibel, der die
Menschheit als ein Ganzes begreift, bevor sie sich nur noch mit
den Juden befaßt)…
»Der Turm von Babel hieß bei den Babyloniern also ETEMENANKI …«, sagte David, als Rachel von den Notizen ihrer Mutter aufblickte.
»Nannte man dieses Programm CA-110, an dem Ihr Vater arbeitete, nicht auch
Babel?«
»Ja. Aber es gibt da noch eine Verbindung. Etwas, was ich Kommissar Bealfeld schon erzählt habe. Als mein Vater in Antigua daran weiterarbeitete, begann er nach einiger Zeit zu stammeln wie der Papst bei dem Zwischenfall auf der Plaza Mayor. Haben Sie die Rede im Fernsehen gesehen?«
»Nein.«
»Hier, nehmen Sie.« David hielt ihr die Videokassette hin. »Es geht los in dem Moment, als er von Jerusalem spricht, vom Haram und dem Tempel Salomos«, erklärte er. »Genau das, was auch Ihrer Mutter Sorgen bereitete. Finden Sie nicht, daß das sehr viele Zufälle sind?«
»Einen Moment mal … Sie wollen damit ja wohl nicht sagen, daß meine Mutter durch den Papst spricht oder über ihn hinweg …«
|165| »Ich weiß es nicht. Aber drehen Sie die Lautstärke auf, und hören Sie sich das an.«
Das Bild des Papstes erschien auf dem Bildschirm, und schon kurz darauf hörte man ihn stammeln:
»Et em en an ki sa na bu apla usur na bu ku dur ri us ur sar ba
bi li …«
»Ich verstehe gar nichts«, sagte Rachel.
»Vielleicht ja doch«, erklärte David. »Geben Sie mir die Aufzeichnungen Ihrer Mutter, spulen Sie zurück und lassen Sie das Video noch einmal laufen, dieses Mal aber in Zeitlupe.«
»Et em en an ki
…«, tönte es verzerrt aus dem Lautsprecher.
»Stop! Haben Sie das gehört? ETEMENANKI! Spulen Sie noch einmal zurück, und wir achten auf das nächste Wort.«
»Na bu apla usur …«
»Das heißt Na-bu-apla-usur oder Nabupolassar, wie Sara hier notiert«, rief David jetzt ganz aufgeregt.
»Na bu ku dur ri us ur …«
»Nebukadnezar.«
»Ba bi li …«
»Nabupolassar und Nebukadnezar, Könige von Babylonien«, faßte der Kryptologe zusammen und sah Rachel triumphierend an.
»Ich glaube, langsam beginne ich zu begreifen, warum meine Mutter ihr Buch unbedingt ›Von Babel zum Tempel‹ nennen will. Und warum ihr dieses Projekt bisher so viele Schwierigkeiten eingebracht hat.«
»Haben Sie Saras Aufzeichnungen dazu gelesen?«
»Nein, Sie werden sicher wissen, daß wir uns nach der Scheidung meiner Eltern sehr entfremdet haben. Erst seit ein paar Monaten nähern wir uns wieder vorsichtig einander an. Und die letzten Male hat sie mir davon erzählt. Ich weiß, daß es ihr Lebenswerk ist. Sie hat auf vieles verzichtet, um dieses Projekt voranzutreiben, unter anderem auf eine großartige akademische Karriere. Deswegen kam es auch immer wieder zu Streit mit Freunden von Großvater. Und zu Zusammenstößen zwischen ihr und unserer Familie … ihrer eigenen Familie …«
|166| David starrte Rachel überrascht an. Ihre Stimme hatte traurig geklungen, so als bedauere sie nun all die Vorwürfe, die sie Sara in der Vergangenheit gemacht hatte, das jahrelange Schweigen. War Rachel doch nicht so hartherzig, wie er immer geglaubt hatte? Die junge Frau schien sich jedoch wieder gefangen zu haben, denn als sie nun weitersprach, war von der Traurigkeit nichts mehr zu spüren.
»Deshalb hat sie die Veröffentlichung auch immer wieder verschoben. Die Reaktionen auf ihre Vorträge oder irgendeinen Artikel, in dem sie Aspekte ihrer Forschungen darlegte, ließen sie davon Abstand nehmen. Sie hat sehr harte Kritik einstecken müssen. Viele haben ein Interesse daran, daß die Ergebnisse nie publiziert werden.«
»Ich vermute mal, daß das, was sie herausgefunden hat, die Mythen zerstört, auf die sich der Staat Israel stützt, nicht wahr?«
»Das und noch viel mehr. Wenn es schon für jede x-beliebige Person schwierig ist, dies in Frage zu stellen, wie heikel ist es dann erst für jemanden mit dem Nachnamen Toledano? Sie wissen das sicher besser als ich. Sara hat mich immer ganz bewußt von all dem ferngehalten, und ich wollte nicht nachbohren; schließlich hatte ich mich nach der Scheidung auf die Seite meines Vaters und meiner Großmutter geschlagen.«
»Ich verstehe.« David nickte. »Doch lassen Sie uns
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