Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Titel: Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
Vom Netzwerk:
säuberlich versehenen Brief aus ihrem Beutel hervor, strich einige auf der Pergamentrolle entstandenen Falten glatt und überreichte ihn Madhrab wortlos.
    Madhrab erbrach das Siegel sofort und begann aufmerksam, aber lautlos in ihrer Gegenwart die zittrige Handschrift der heiligen Mutter zu entziffern. Elischa war neugierig, sie kannte den Inhalt nicht und versuchte daher, über seine Schulter einen Blick auf den Brief zu erhaschen, was ihr allerdings nicht gelang.
    Mein lieber Lordmaster Madhrab, hoch geschätzter Bewahrer des Nordens,
    ich sende Euch diesen Brief in der stillen Hoffnung, Euch und Overlord Boijakmar nach einigen Sonnenwenden des Wartens endlich umstimmen zu können, Eurer einzig wahren Bestimmung nachzukommen. Ihr führt einen sinnlosen Krieg, der nicht der Eure ist und niemals sein kann. Fürwahr, Ihr seid stark und kein Krieger könnte sich mit Euch und Euren Fähigkeiten im Kampf messen. Doch möchte ich Euch eindringlich daran erinnern, Ihr seid kein Krieger, Eure Pflicht ist es nicht, anderes Leben zu zerstören, selbst wenn es den Klan und unserem Land feindlich gesinnt sein sollte. Ihr seid ein Bewahrer. Als Bewahrer seid Ihr ausschließlich den Orna, Ulljan und der Wahrung seines Erbes verpflichtet. Ihr seid viel mehr zur Neutralität verpflichtet, als Euch dies heute bewusst sein mag. Eure außergewöhnlichen Fähigkeiten einer entgegengesetzten Bestimmung gemäß einzusetzen, ist nicht richtig. Sie beeinflusst das Schicksal von Ell womöglich in unzulässiger Weise und könnte Folgen haben, die niemand vorhersehen kann. Schlimme Folgen, die das ganze Land in eine weit größere Katastrophe stürzen könnten, als es die Invasion der Rachuren vermag.
    Eure vornehmste Aufgabe als Bewahrer ist es, Leben zu schützen. In diesem Sinne seid Ihr den Orna gegenüber verpflichtet, den Eid des Bewahrers abzulegen und das unzerstörbare Band der Orna und der Bewahrer mit uns zu knüpfen. Eure Entscheidung, den Eid nicht abzulegen, war von fehlgeleiteten politischen Erwägungen beeinflusst. Der von mir hoch geschätzte Overlord und hohe Vater Boijakmar hat Euch benutzt, um die Macht der Bewahrer in den Klanlanden und gegenüber dem Regenten zu stärken, der sich mehr und mehr von den uns nicht wohlwollenden Praistern beeinflussen lässt. Die Absichten des hohen Vaters sind keineswegs verwerflich. Ich verurteile seine Entscheidungen nicht und kann sie in gewissem Maße nachvollziehen. Doch entsprechen sie nicht unseren Regeln und verstoßen gegen die Schriften des Ulljan. Dies solltet Ihr Euch immer in Erinnerung rufen, solange Ihr den Eid noch nicht abgelegt habt.
    Die Überbringerin dieses meines Briefes ist eine meiner begabtesten Schülerinnen. Ihr Name ist Elischa. Sie war ein äußerst talentiertes Findelkind, das mir das Schicksal überantwortet hat, obwohl den Orna die Freuden einer Mutterschaft eigentlich zeit ihres Lebens verwehrt bleiben, wie Ihr sehr wohl wisst. Ich habe sie schon als kleines Kind aufgezogen. Ihr Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen. Sie ist wie eine eigene Tochter für mich. Ich habe sie zu Euch gesandt, damit Ihr Euch selbst ein Bild von ihr machen könnt. Ihr Schicksal lege ich in Eure Hände. Nur Ihr könnt ihr Bewahrer sein und sie fortan bei ihren Aufgaben außerhalb der Mauern unserer Häuser begleiten und schützen. Sie wird keinen anderen Bewahrer wählen und könnte niemals eine vollwertige Orna werden, wenn Ihr nicht bereit seid, das Band mit ihr zu knüpfen.
    Ich bitte Euch noch einmal, folgt Eurer Bestimmung und legt den Eid ab. Wenn nicht mir zuliebe, dann für Elischa und für das Erbe Ulljans, das unsere beiden Orden zu bewahren gemeinsam geschworen haben.
    Lordmaster Madhrab legte die Schriftrolle zu den Karten auf den Tisch und schüttelte langsam den Kopf. Es kam ihm merkwürdig vor, dass ihn die heilige Mutter persönlich gerade zu diesem Zeitpunkt an seinen Eid erinnerte. Erst kurz zuvor hatte ihn der hohe Vater aufgesucht und ihm eine Entscheidung abverlangt, die in dieselbe Richtung zielte. Madhrab würde seinen Eid schon bald ablegen, soviel stand fest. Er würde es tun, wenn die Schlacht gegen die Rachuren geschlagen war und wenn er sie tatsächlich überleben sollte.
    Das Schreiben der heiligen Mutter mit einem Appell an seine Wurzeln als Bewahrer passte genau in das Bild, das sich ihm in den letzten Horas und Tagen als sein künftiges Schicksal gezeigt hatte. Die heilige Mutter musste ein gutes Gespür für bevorstehende Veränderungen besitzen

Weitere Kostenlose Bücher