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Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Titel: Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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entziehen konnte, wenn er die Orna erst einmal persönlich zu Gesicht bekommen hätte.
    Elischa räusperte sich vorsichtig.
    Madhrab hatte die Orna, die bereits eine Zeit lang an seiner Seite stand, nur unbewusst wahrgenommen und war wieder völlig in den Karten versunken. Er drehte den Kopf, vermied es allerdings, sie direkt anzusehen. »Verzeiht … meine Unhöflichkeit, ich habe Euch nicht die gebührende Aufmerksamkeit zukommen lassen, aber ich stehe vor einer Schwierigkeit, über deren Lösung ich mir noch nicht im Klaren bin«, sagte Madhrab.
    »Oh … das macht nichts. Ich bin froh, dass Ihr mich überhaupt empfangt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die sorgfältige Planung der Schlacht Eure volle Aufmerksamkeit erfordert. Wenn ich Euch einen weiblichen Rat geben dürfte? Vielleicht verlasst Ihr Euch einfach auf Euer erstes Gefühl, Ihr wisst schon, das, das Ihr im Bauch hattet. Das stellt sich im Nachhinein meist als richtig heraus. Was hattet Ihr denn zuerst im Sinn?«, antwortete Elischa keck.
    Madhrab grübelte vor sich hin und strich sich mit der Hand über seinen kahlgeschorenen, rituell tätowierten Schädel. Elischa bewunderte die kunstvollen bunten Tätowierungen, die überwiegend aus Runenzeichen, verschiedenen Tierfiguren und den beiden Sonnen von Kryson bestanden.
    »Ich hatte mir zuerst keine besondere Taktik gegen die Todsänger ausgedacht. Sie sind eine große Gefahr und müssen schnellstmöglich ausgeschaltet werden. Wenn es Euch interessiert … nur ein einziger Sturmlauf mit meinem Schwert Solatar und die Beschwörung meines Tarsalla sollten den Erfolg bringen. Die Eiskrieger sollten meinen Rücken frei und die entstehende Schneise für den Rückzug offen halten«, sagte Madhrab.
    »Dann solltet Ihr auch in diesem Sinne handeln«, schlussfolgerte Elischa.
    Jetzt sah Madhrab sie direkt an. Ihre Blicke trafen sich. Es geschah, was nicht geschehen durfte.
    Madhrab hatte urplötzlich das untrügliche Gefühl, dass er diese Frau, die heute zum ersten Mal an seiner Seite stand, schon seit ewigen Sonnenwenden kannte oder genau bis zu diesem Augenblick sein Leben lang gesucht hatte.
    Er war verwirrt und völlig entwaffnet, fühlte sich ihr oder besser seinen unerwarteten Empfindungen hilflos ausgeliefert und wusste nicht, was er tun sollte. Am liebsten hätte er sie sofort in die Arme genommen, fest an sich gedrückt und nie wieder in seinem ganzen Leben losgelassen. Doch das wäre unschicklich gewesen, sogar mehr als das, und womöglich hätte sie es falsch verstanden. Er war ein hoch angesehener Bewahrer und sie eine heilige Orna. Die Verantwortung, die er zu tragen hatte, seine strenge Disziplin, die über viele Sonnenwenden der Ausbildung verinnerlichte Selbstbeherrschung und das Gefühl der tiefen Verpflichtung dem Orden und den Klan gegenüber wogen schwer und hielten ihn letztlich zurück, einfach spontan oder unbedacht zu handeln und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.
    Und dennoch, er wollte ihr nahe sein, näher als je einem anderen Wesen zuvor. Der Wunsch, sich mit ihr zu verbinden, war ungemein stark. Hätte sie nur einen Schritt von ihm weg getan, er hätte ihre Nähe schmerzlich vermisst. Die Gefühle überfielen ihn in für einen Bewahrer völlig unbekannten Dimensionen und überschatteten jeden weiteren vernünftigen Gedanken. Sein Pulsschlag beschleunigte sich und er spürte, wie ihm das Blut unversehens heiß in die Wangen schoss. Der Bewahrer errötete. Madhrab konnte nichts dagegen ausrichten. Seine Reaktion war ihm peinlich. Er starrte Elischa an und drohte in der Tiefe ihrer Augen zu versinken. Wie gerne hätte er sich einfach nur fallen lassen. Die Erlösung war doch so greifbar nahe.
    Elischas Augen waren ein höchst seltenes Phänomen, das in oder nahe den Wäldern von Faraghad und da nur bei sehr wenigen Waldbewohnern anzutreffen war. Einige von denen, die diese Besonderheit aufwiesen, waren von jeher magiebegabt gewesen. Zwei unterschiedliche Farben, Grün und Blau, die den Bewahrer tatsächlich mehr als nur irritierten. Das Grün war ein intensives Smaragdgrün, bedeutungsvoll und stark, geradezu leuchtend, ein Zeichen der engen Naturverbundenheit, und das Blau ein sattes Blau, wie er es nur einmal bei den tiefen Wassern am großen Ostmeer erblickt hatte. Eine unerträgliche Verwirrung überkam ihn. Es war, als klaffte eine Wunde auf. Eine Wunde, die er sorgsam verschlossen gehalten hatte. In diesem Moment wurde er sich schmerzhaft der Leere seiner langen, einsamen

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