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Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Titel: Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Nächte bewusst.
    Was geschah mit ihm? Verzweifelt rang er nach einer vernünftigen Erklärung. Niemand hatte ihn jemals auf so etwas vorbereitet. Der hohe Vater Boijakmar hatte stets sehr nüchtern von der inneren Verbundenheit zwischen den Orna und den ihnen zugeteilten Bewahrern berichtet, waren der Eid erst einmal abgelegt und das Band geknüpft. Alle weiteren Erläuterungen über die Beziehungen zwischen Männern und Frauen waren entweder ausgelassen oder in für die Lehrer des Ordens unbequemen Antworten zu Geschlechtern, Sexualität, Liebe und Fortpflanzung geschickt umgangen worden. Dieser Teil von Kryson, der Welt, in der sie lebten, war für die Bewahrer schlicht nicht existent. Wozu auch?, sagten sich die Lehrmeister der Bewahrer, wer den Eid erst einmal abgelegt hatte, würde zeit seines Lebens in Enthaltung der fleischlichen Gelüste leben. Bis dahin konnte er zwar noch die eine oder andere nicht gerne gesehene Erfahrung mit dem anderen Geschlecht machen, der allerdings keine Bedeutung zugemessen wurde.
    Auch Madhrab hatte in seinem Leben bereits bei einigen Frauen gelegen. Doch das war lange her, er konnte sich kaum noch daran erinnern und hatte die Erfahrung in seinen Gedanken schon beinahe gelöscht. Die Gesichter der einstigen Geliebten und mit ihnen die Erinnerung an die angenehmen Horas zärtlicher Zweisamkeit schienen im Laufe der Sonnenwenden langsam zu verblassen.
    War dies nun etwa das Band zwischen den Orna und den Bewahrern, von dem Boijakmar gesprochen hatte und das Elischa augenblicklich geknüpft und nach ihm ausgeworfen hatte?
    Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Solche Gefühle, wie er sie ihr gegenüber vom ersten Moment an empfand, wären für die den Bewahrern zugedachte Aufgabe eher hinderlich gewesen. Die plötzliche starke Zuneigung, die er für Elischa hegte, drohte ihn beinahe zu überwältigen.
    Er war wie berauscht. Ihn überkam die Gewissheit, dass er liebte. Liebe – das war die gewaltigste Magie, die es auf Kryson gab. Madhrab war, als hätten sich ihre Seelen endlich gefunden. Als endete hier alle Vergangenheit. Als öffneten sich die geheimnisvollen Tore zu einer neuen, erhellten, doch für sie beide unerlaubten Welt. Nichts war mehr wichtig, nur die innere Verbundenheit der Liebenden zählte.
    Madhrab erschrak über sich selbst und seine Gedanken. Eine Liebesbeziehung zwischen einer Orna und einem Bewahrer war nach den Ordensregeln strengstens verboten und stand unter schweren Strafandrohungen. Das Band der Orna und der Bewahrer war keineswegs vergleichbar mit einem Ehebund, wie ihn Frau und Mann unter den Klan eingehen konnten, um eine Familie zu gründen, zusammenzuleben und miteinander zu schlafen und sich zu vergnügen.
    Das Band war die Fortsetzung und Bewahrung des Erbes des letzten Lesvaraq Ulljan. Es diente einem weit höheren Zweck. Ulljan hatte seine Nachfolge nach dem Verrat der Saijkalrae Brüder bewusst in die Hände zweier völlig unterschiedlicher Orden gelegt, die allerdings beide von ihm gegründet worden waren und untrennbar von einander abhingen und sich gegenseitig brauchten, um bestehen zu können. Nur gemeinsam waren die Orden stark und konnten Ulljans Wissen von Generation zu Generation weitertragen, bewahren und womöglich während ihrer Reisen durch den Kontinent Ell mehren.
    Das unzertrennliche, magische Band hielt sie zusammen, um selbst gegen die Saijkalrae und ihre möglichen Angriffe zur Auslöschung von Ulljans Andenken bestehen zu können. Die Liebe eines Bewahrers zu einer Orna konnte deshalb ungeahnte Folgen haben und ebenso verhielt es sich umgekehrt: Das Band wäre ein ganz anderes, gelockert, nachlässig geknüpft, und würde einem unerwünschten Selbstzweck folgen, der das Erbe Ulljans in der von ihm veranlassten Zweiteilung der Macht gefährden könnte. Ulljan wusste, dass Liebe die stärkste Magie war, die es auf Kryson oder überhaupt gab. Gegen sie konnte niemand, nicht einmal der stärkste Lesvaraq, ankommen und dennoch durfte sie zwischen den Angehörigen des Ordens nicht einmal im Ansatz aufkeimen. Stünde die Liebe zwischen einer Orna und einem Bewahrer im Vordergrund, käme die Bewahrung des Erbes Ulljans erst an zweiter Stelle. In Ulljans Ordensschriften hatte der Lesvaraq versteckt darauf hingewiesen – was in vielen anderen Schriften immer wieder unterschiedlich interpretiert und kontrovers diskutiert worden war –, dass aus der Liebesverbindung einer Orna und einem Bewahrer womöglich ein sehr starkes Wesen

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