Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Überzeugung.«
»Dann wird Fürst Fallwas das für dich erledigen«, ordnete der Regent an. »Die Praister werden ein Gebet zu den Kojos sprechen und ein großzügiges Opfer darbringen. Das wird reichen, nicht wahr, Thezael?«
»Vollkommen«, lächelte Thezael, »Eure Herrlichkeit sind so weise in Euren Entscheidungen. Eine wundervolle Geste der Barmherzigkeit. Wir werden die in den Kammern des Palastes lagernden Vorräte für uns selbst brauchen. Lediglich die übrig gebliebenen Speisen des Freudenfestes sollten im Volk verteilt werden. Die Zeiten sind hart und wer weiß, was uns schon morgen begegnen kann? Seht doch nur, was mit Eisbergen geschehen ist. Wir werden einen jungen Ochsen und eine Taube opfern, das wird die Kojos gütlich stimmen.«
»Ich stimme Euch zu«, schloss sich Fürst Fallwas an, »kein Flüchtling wird einen Fuß in die Stadt setzen. Dafür werde ich sorgen. Wir bringen ihnen die übrigen Speisen und bitten sie mit Nachdruck, sich schnellstmöglich von den Stadttoren zu entfernen. Wer sich widersetzt, wird auf der Stelle erschlagen. Wir dürfen nicht riskieren, die Seuche durch die Tore zu lassen.«
Obwohl sich die Gäste des Regenten während der Feier offenkundig kräftig bedient hatten, waren die lang gestreckten Steintafeln noch immer prall gefüllt mit vielerlei köstlichen Speisen: frischem Obst, Brot, Süßspeisen, Gebratenem, Gebackenem, Gekochtem und Gepökeltem. Alles war im Überfluss vorhanden. Für die Flüchtlinge jedoch war es nichts. Vielleicht würden wenigstens hundert von ihnen tatsächlich für einen halben Tag satt werden. Allem Anschein nach mussten allerdings mehrere tausend mit dem Nötigsten und Proviant versorgt werden, um zu überleben.
In Lordmaster Kaysahan stieg Verbitterung auf. Er hatte auf andere Entschlüsse gehofft. Entschlüsse, die eines Regenten würdig waren. Doch stattdessen war er gegen eine Wand von Intrigen, Ablehnung und Feigheit geprallt, die ihm den Magen umzudrehen drohte. Doch wenn er aufrichtig sich selbst gegenüber war, was hatte er von einem Mann erwarten dürfen, der im hohen Alter mehr und mehr dem Wahnsinn verfiel und von sich selbst behauptete, er stamme von den Kojos ab? Vernunft und Anstand jedenfalls nicht. Der Hofstaat war in Kaysahans Augen zu einer Farce verkommen. Ein Haufen blinder Narren und Possenspieler, die sich ausschließlich um sich selbst und die Vergrößerung ihrer Macht kümmerten. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Die Schwäche des Regenten war allzu offensichtlich. Haluk Sei Tan ließ sein eigenes Volk im Stich. Das Volk, dem er seine Regentschaft verdankte.
Die Klanlande standen schon einige Zeit ohne Führung da. Die Fürsten waren sich uneinig und hatten zu allem Überfluss schleichend damit begonnen, sich gegenseitig auszuspielen. Der Staat, den Ruitan Garlak bis zu seiner Ermordung einst blutig und mit eiserner Hand geeint hatte, drohte wieder zu zerbrechen. Vielleicht stand ihnen schon bald ein Krieg der Fürsten um die Herrschaft in den Klanlanden bevor. Ein Krieg, der das Land nach den verlustreichen Kämpfen gegen die Rachuren nur noch weiter schwächen und angreifbar machen würde. Der Sieg seines Ordensbruders Madhrab gegen die Eroberer aus dem Südwesten des Kontinentes hatte nichts bewirkt. Die Klan hatten ihre Lektion nicht gelernt.
Doch Kaysahan wusste, noch war es nicht zu spät. Das Spiel um die Macht hatte gerade erst begonnen. Madhrab, dachte Lordmaster Kaysahan plötzlich. Madhrab wäre in der Lage, das Schlimmste zu verhindern.
Mit einem Mal hatte Kaysahan verstanden, weshalb der Regent und Fürst Fallwas den Helden der Klanlande in den Dienst am Hofstaat nehmen wollten. Sie fürchteten ihn und das, was er vielleicht einmal werden könnte. Als Leibwächter des Regenten könnte er ihnen hingegen nicht schaden. Er wäre in Loyalität an seinen Eid gebunden. Sollte ihnen ihr Vorhaben allerdings nicht gelingen, würden sie Madhrab ohne Skrupel vernichten.
Haluk Sei Tan reichte Thezael das versiegelte Schriftstück, damit ihm dieser die Botschaft des hohen Vaters vorlesen konnte. Lordmaster Kaysahan lauschte gespannt, wie Boijakmar versucht hatte, die dringende Bitte des Regenten, den Regeln der Bewahrer folgend, abzuweisen, indem er ihm mitteilte, Madhrab knüpfe das Band und lege bestimmungsgemäß den Eid für eine Orna ab. Gegen diesen geschickten Zug des hohen Vaters gab es im Grunde keinen Einwand und noch viel weniger eine Handhabe. Jedenfalls so lange nicht, wie sich Haluk Sei Tan
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