Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
offizielle Abordnung der Praister und einige meiner treuesten Gefolgsleute werden Euch auf der Reise begleiten. Des Weiteren werdet Ihr meinem Sohn bei der Verhaftung dieses Verbrechers Madhrab behilflich sein und Chromlion bis zum Abschluss der Verhandlung tatkräftig unterstützen. Danach werden wir Eure kleine Affäre mit Raussa vergessen haben. Verstanden?«
»Was, wenn ich es nicht tue?« Lordmaster Kaysahan wirkte noch blasser als zuvor und hätte sich am liebsten sofort auf die gepflegte Kleidung seines Gegenübers übergeben.
»Nun … Ihr seid dem Regenten ein Dorn im Auge, die Praister können Euch nicht ausstehen und ich finde Euch einfach nur lästig. Eure Gegenwart langweilt mich«, antwortete Fürst Fallwas breit grinsend. »Was, denkt Ihr, könnte geschehen, wenn wir uns, ich meine Fürsten, Regenten und Praister, heimlich, still und leise darauf einigen, Euer Gesicht nicht mehr sehen zu wollen, um den Ruf der künftigen Regentin nicht zu gefährden? Kennt Ihr die Geschichte um Ruitan Garlaks Ende? Er muss gar schrecklich gelitten haben, der arme große Held unseres Volkes.«
Lordmaster Kaysahan erwiderte nichts. Er kannte die Gerüchte. Die Erpressung war deutlich, ein Missverständnis vollkommen ausgeschlossen. Was sollte er nur tun?
Ein Verfahren gegen einen Lordmaster der Bewahrer zu verlangen verstieß nicht gegen die Gesetze. Es war das Recht jedes Regenten, ein solches einzuleiten, wenn er den Eindruck einer Verletzung der Regeln durch einen Bewahrer hatte. Die Bewahrer mussten diesem Wunsch Folge leisten. So stand es in den Ordensschriften.
Dennoch fühlte sich Kaysahan plötzlich schmutzig und schwach. Alles um ihn herum drehte sich, seine Beine drohten umzuknicken. Eine kleine Verfehlung, eine Schwäche des Fleisches, eine Unachtsamkeit hatte ihn in diese Situation gebracht, aus der es nun kein Entrinnen gab.
Der Bewahrer nickte ehrfürchtig und verbeugte sich. Dann verließ er eilig den Festsaal. Im Flur, gleich hinter der Flügeltür, unter dem noch unvollendeten Familiengemälde des Regenten Haluk Sei Tan, musste er sich übergeben. Einmal und noch ein weiteres Mal.
Er war es, der einen Bruder und guten Freund verraten hatte. Der Ehrenkodex der Bewahrer war nichts mehr wert. Warum hatte er es nur so weit kommen lassen? Kaysahan fühlte sich schuldig.
Er hatte soeben in stiller Zustimmung seine Seele an den Fürsten Fallwas verkauft.
E RWACHEN
N eun Kapuzenträger hatten sich in den heiligen Hallen der Saijkalrae versammelt und warteten auf den großen Augenblick. Auf glattem schwarzem Marmorboden kniend waren sie in einem Halbkreis um einen grob aus dunkelgrauem Basalt gehauenen Steinblock zusammengekommen, der mehr einem mit Moos und Pilzflechten bewachsenen uralten Altar denn einem steinernen Tisch glich.
Zwei von ihnen hatten sich links und rechts des schweren Steinquaders aufgestellt und sich mit ihren Gesichtern den anderen in der Halle Versammelten zugewandt. Aus dem Dunkel ihrer Kapuzen schimmerten die ungewöhnlichen Augen der beiden Wächter und beobachteten aufmerksam die anderen sieben Kapuzenträger. Glutrot leuchteten die Augen des einen und gelb glommen die Augen des anderen. Haisan und Hofna, die beiden Leibwächter der Saijkalraebrüder.
Hinter dem Steinblock waren zwei mannshohe, mit ineinander verschlungenen Verstrebungen versehene Kerzenständer aus schwarzem und weißem Eisen aufgestellt worden, von denen der schwarze neun weiße und der weiße wiederum neun schwarze Wachskerzen hielt. An den geschmolzenen Wachstropfen, die in dicken Schichten Sockel und Eisenverstrebungen der Kerzenständer und die Kerzen selbst zierten, war zu erkennen, dass sie schon vor einiger Zeit entzündet worden waren. Für jeden der anwesenden Kapuzenträger eine große Kerze auf jedem Ständer.
Die Kerzen brannten mit blaugrün flackernder Flamme, was die hohe Halle in ein kaltes Licht tauchte, das sich in der Tiefe des großen Raumes verlor und gespenstische Schatten auf die angespannten Gesichter unter den Kapuzen warf.
Die Insignien der Macht, zwei sich überschneidende Sonnen und ein die eine der beiden Sonnen halb verdeckender Mond, waren an der Vorderseite des massiven Quaders mittig mit einem Meißel eingraviert worden. Auf der flachen Oberfläche des Steins lag der nackte, schlanke Körper eines mittelgroßen Mannes. Er lag auf dem Rücken, die Arme an den Oberkörper gelegt und atmete ruhig und gleichmäßig. Die Augen waren geschlossen. Haut und Haare waren von einem
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