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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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hat?«
    »Wartet auf mich. Ich werde kommen und ihn persönlich in die Tiefe verabschieden«, brummte Boijakmar missmutig.
    Jeden seiner Schritte mit Bedacht wählend betrat Madhrab das Verlies unter dem Haus des hohen Vaters unbewaffnet und ohne seine schützende Rüstung. Von Madsick wusste er, dass es viele geheime Winkel und versteckte Wege im Verlies gab, die nur dem Jungen, dessen Vater Sick und einigen Sonnenreitern bekannt waren. Er wollte vermeiden, sich von Sick in einem Hinterhalt überraschen zu lassen. Der Foltermeister war unberechenbar und hatte in der ihm vertrauten Umgebung durchaus einen Vorteil gegenüber Madhrab. Dem Lordmaster war mulmig zumute, als er durch die unübersichtlichen Gänge des Verlieses schlich, die links und rechts des Weges von Zellen und Kammern gesäumt waren. In den höhergelegenen Ebenen war es eigenartig still, sodass er sogar das Fiepen einer Ratte oder ihre raschelnd über den Stein tapsenden Füßchen hören konnte. Die meisten Zellen waren leer, was Madhrab unschwer an den offenen Türen erkennen konnte. Hin und wieder warf er einen vorsichtigen Blick hinein, um sich zu vergewissern, dass sich niemand im Dunkel einer Zelle verbarg, der ihm unbemerkt in den Rücken fallen könnte. Er erinnerte sich nur schwach an seinen Weg aus dem Verlies, den ihm Madsick während seiner Flucht gezeigt hatte. Zu seinem Bedauern hatte er sich damals mehr blind führen lassen, als sich den Weg mit offenen Augen und Verstand zu merken. Der Lordmaster gewann den Eindruck, dass sich das Verlies viel weiter, mit seinen untereinander angeordneten Ebenen unter der Oberfläche, nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite verzweigte, als er ursprünglich angenommen hatte. Dabei kam es ihm rätselhaft vor, wozu der Orden zu Zeiten seiner Gründung ein solch ausuferndes Verlies hatte erbauen lassen. Noch dazu in Form eines verwirrenden Labyrinthes.
    Was hatten sie vor? , fragte sich Madhrab irritiert. Sollte dieser Teil des Hauses dem Orden in Notzeiten als Zuflucht dienen oder wollten sie etwas Bestimmtes vor allzu neugierigen Augen verbergen? Aber vielleicht wollten sie auch verhindern, dass etwas ungehindert an die Oberfläche gelangen konnte. Möglicherweise etwas Unfassbares, das seit Urzeiten in der Grube lauert und dem ich schon bald begegnen werde?
    Madhrab schauderte bei dem Gedanken an ein solches Wesen, für das ein solch gewaltiges Labyrinth geschaffen worden war. Diente das Verlies letzten Endes nur dem alleinigen Zweck, dieses Wesen, welches eigenartigerweise nur mit dem wenig aussagekräftigen Namen Herr der Grube bezeichnet wurde, festzuhalten? Was für eine schreckliche Kreatur musste das sein, vor der sich der Orden fürchtete und ihr regelmäßig einen Tribut zollte, indem die Bewahrer vermeintliche Verbrecher zu einem Schicksal in der Grube verurteilten. Entkäme diese unsägliche Bösartigkeit tatsächlich eines Tages aus der Grube, bliebe womöglich noch Zeit, sie in den Gängen des Verlieses abzufangen und zu bekämpfen. Aber das waren bloße Vermutungen, die ihn nicht weiterführten und nur zusätzliche Sorgen bereiteten.
    Es reichte schon, dass Madhrab die Bemerkungen Boijakmars über das Erbe Ulljans nicht aus dem Kopf gehen wollten. Von Kindesbeinen an war Madhrab unter den Bewahrern aufgewachsen. Was hatte er an ihren Regeln und Grundsätzen falsch verstanden? Diese Frage hatte sich der Lordmaster schon des Öfteren gestellt. Was genau verstand der Overlord unter dem Erbe Ulljans? Innerhalb des Verlieses musste es in den untersten Ebenen Kammern geben, in denen uralte Schriften und Artefakte aufbewahrt wurden, die bewusst nicht in den weiter oben gelegenen Archiven des Ordens zu finden waren. Nur eingeweihte Ordensbrüder, der Overlord und die Lordmaster des Ordens hatten Zugang zu diesen Kammern. Die eingeweihten Sonnenreiter zählten zu den wenigen Schriftgelehrten des Ordens, deren Aufgabe überwiegend in der Pflege der Archive, des Regelwerks des Ordens und der Anfertigung von Aufzeichnungen bestand. Obwohl er selbst im Rang eines Lordmasters stand, hatte sich Madhrab nie eingehend mit deren Aufgaben und seinen schreibenden und zeichnenden Ordensbrüdern beschäftigt. Es hatte ihn nicht ernsthaft interessiert. Ein Bewahrer hatte sein Leben dem Kampf und dem Schutz der Orna gewidmet. Die Schriftgelehrten waren zwar Sonnenreiter, hatten allerdings nicht die Möglichkeit, als Bewahrer auserwählt zu werden. Von Beginn an wurden sie nur für diesen besonderen Zweck

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