Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Grimmgour war und blieb brandgefährlich, solange er am Leben war.
Andere Erlebnisse an diesem Tag wiederum kamen ihm hilfreich vor, um seine eigenen Pläne voranzutreiben. Er dachte an seine bevorstehende Reise zu den Drachen nach Tartyk. Was auch immer ihn in Gafassa erwartete, ob Gutes oder Schlechtes, die Aufgabe war eine Herausforderung, und doch hatte Rajuru mit ihren Bemerkungen recht. Er war für den Auftrag gerüstet. Wovor sollte er sich ängstigen? Die Begegnung mit den Drachen schreckte ihn nicht annähernd so sehr wie die Vorstellung, noch einmal in den Flammen der Pein leiden zu müssen. Wer konnte schon sagen, welche Möglichkeiten sich ihm durch die Reise zusätzlich eröffneten.
Mit einem Lächeln auf den Lippen beugte er sich über einen der Sklaven, setzte die ersten Schnitte und entnahm dem geöffneten Brustkorb das noch pochende Herz, damit es die Hexe in ihrer Habsucht verschlinge.
D AS E NDE DES W INTERS
A uf Pfählen aufgespießte Köpfe zierten den Eingang zu dem einst malerischen Bergdorf. Von der Kälte gezeichnet, blau und hart gefroren, die Augen von hungrigen Krähen ausgehackt, waren die Gesichter der Enthaupteten schwer zu erkennen. Diejenigen Bewohner, die den Winter überlebt hatten, wussten jedoch, wer sich hinter den Masken des Todes verbarg, und sie würden weder ihre Namen vergessen noch welches Schicksal sie erlitten hatten. An einem der zahlreichen Pfähle lehnte ein abgemagerter, verwahrloster Junge, der eine zutiefst traurige Weise auf einer Flöte spielte, die jedermanns Herz berührte, der die Gelegenheit hatte, den Klängen zu lauschen. In seinen Augen standen Tränen.
Mit dem Winter war der Schrecken nach Kalayan eingezogen. Das Grauen der Einwohner Kalayans, das sich unter der Uniform eines Sonnenreiters verbarg, trug einen Namen. Chromlion, seines Zeichens Lordmaster der Bewahrer und erstgeborener Sohn des Fürstenhauses Fallwas. Er war mit anderen Bewahrern und einem Trupp Sonnenreiter auf der Jagd nach einem verurteilten Gesetzesbrecher gekommen und hatte den Winter über im Dorf gewartet. Nach dem feigen Mord an der Familie des Gesuchten hatten sie die Bewohner aus ihren Häusern getrieben, das Vieh geschlachtet und sich an den Vorräten gelabt. Wie Maden im Speck hatten sie gelebt und sich bedienen lassen, als wären sie die Herren über das Dorf. Aus Langeweile hatten sie ihre grausamen Spiele mit den Dorfbewohnern getrieben, die den ein oder anderen zu den Schatten gebracht hatte. Ohne zu bitten oder zu fragen, hatten sie sich genommen, was immer sie wollten. Selbst vor den Frauen des Dorfes hatten sie entgegen den strengen Regeln des Ordens der Bewahrer keinerlei Respekt gezeigt. Nicht einmal vor Vergewaltigungen waren sie zurückgeschreckt. Wer sich bei Lordmaster Chromlion über die Behandlung beschwerte, musste befürchten, verspottet oder gar öffentlich hingerichtet zu werden. Die Köpfe der Hingerichteten waren neben den Köpfen der Brüder, Mutter und Schwester Madhrabs zur Abschreckung aufgespießt worden. Wie oft hatten sie die Kojos um Hilfe gebeten, doch sie war ihnen nicht gewährt worden. An den schrecklichsten Tagen des Winters war ihr Wunsch nach einer Rückkehr des Bewahrers des Nordens, Lordmaster Madhrab, ungehört geblieben. Die Hoffnung war spätestens zu jener Zeit gschwunden, als sich eine der beiden Sonnen verdunkelte und das Tageslicht verschluckte. Das Dorf versank in der Dunkelheit der Zeit der Dämmerung. Nachdem ihnen fremde Hilfe von außen versagt worden war, hatten sie es mit Flüchen versucht. Doch selbst der schrecklichste Fluch hatte sie nicht von der Plage befreit. Im Gegenteil. Eine Hungersnot hatte das Dorf am Fuße des Choquai gegen Ende des Winters heimgesucht, während Chromlion mit seinen Männern auf den Vorräten saß und sich weigerte, Lebensmittel an die Einwohner von Kalayan auszugeben. Er wäre in der Lage gewesen, die Vorräte einzuteilen. Niemand im Dorf hätte Hunger leiden oder gar sterben müssen. Doch er bestrafte sie für etwas, das sie nicht verstanden. Madhrab war ein Sohn ihres Dorfes gewesen, bevor er als Kind von den Bewahrern entdeckt und für den Dienst auserwählt worden war. Sie hatten ihn stets verehrt. Es gab keinen Grund, ihren Stolz auf den Helden ihres Dorfes und seine Taten zu verhehlen. Das alleine und die Tatsache, dass sie ihm eine Führung über den Choquai nach Eisbergen verweigert hatten, genügte Chromlion, um sie leiden zu lassen und ihnen die dringend benötigte Hilfe zu
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