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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Offensichtlich wusste er nicht wie ihm geschehen würde und welche Macht ihm gegenüberstand, die sein Leben grundlegend zu verändern vermochte. Einer schrecklichen Vorahnung folgend klammerten sich die übrigen Sklaven an den Riesen. Nalkaar konzentrierte sich auf sein Opfer und begann zu singen. Seine Stimme klang weich, anmutig und schmerzlich zugleich. Ein Wehklagen erhob sich, dem sich die Sklaven nicht entziehen konnten. Es gab kein Entrinnen. Die ersten sanften Töne erreichten die Klan. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Gesang erwischte den Krieger unvorbereitet; er ließ sofort den Stab fallen, den er zuvor noch kampfbereit fest umfasst hatte. Ungläubig, ob des ihn überwältigenden Gesanges, starrte er den Todsänger an. Wie konnte jemand solch liebreizende Töne erzeugen, die zugleich fürchterlich schmerzten und einem gestandenen Krieger das Herz zerrissen? In die Augen des Riesen traten Tränen, und sein Blick verklärte sich, so als ob er dieser Welt entzückt entfliehen wollte. Nach nur wenigen Klängen war Dardhrab seiner Umgebung bereits entrückt. Seine vollkommene Wehrlosigkeit gegen die Schönheit der Musik zeigte sich zunächst in einer Erstarrung seines Körpers.
    Ein Lächeln schlich sich auf Nalkaars Lippen, während er sich von den leisen Tönen allmählich zu einer Steigerung hinreißen ließ, die sein Gegenüber und mit ihm die versammelten Sklaven in die Knie zwang. Der Todsänger wusste genau, dass er bereits gewonnen hatte. Er musste lediglich die Seelen aus den Körpern der Klan locken, um sie an sich reißen zu können. Und er lockte sie hervor, wie er es schon so oft getan hatte. Der Gesang wurde intensiver. Aus der anfänglichen Erstarrung wurde ein Zucken. Die Männer wanden sich auf dem Boden. Sie griffen sich an die Ohren und versuchten der schmerzlichen Verlockung, die sich für sie zur Unerträglichkeit steigerte, zu entgehen. Einige begannen sich zu verletzen, indem sie sich mit den rostigen Schwertern selbst tiefe Schnitte zufügten und den Schmerz aus sich herausschneiden wollten. Doch Nalkaar ließ nicht locker und sang weiter. Er wurde immer stärker. Ein Sklave stach sich die Augen aus, ein anderer riss sich ein Ohr ab, ein dritter schlug sich den Kopf wund, und Dardhrab hämmerte mit den Fäusten verzweifelt auf den Boden der Arena, bis sie bluteten. Es konnte nicht mehr lange dauern und die ersten Seelen würden sich von den Körpern lösen. Nalkaar machte sich bereit und winkte Rajuru zu sich. Begierig, die Seelen der Sklaven in sich aufzunehmen, folgte Rajuru der Aufforderung des Todsängers und begab sich zu ihm. Der Gesang konnte ihr und den anderen Zuschauern nichts anhaben, da er nur auf die jeweiligen Opfer wirkte, für die er gedacht war und auf deren Seelen sich Nalkaar konzentrierte. Dennoch wirkte insbesondere Joffra beim Anblick des Gesangsschauspiels und bei dem Kampf um die Seelen der Männer aus seinem Volk zutiefst betroffen.
    Der Todsänger deutete Rajuru an, aus welchem Körper er die erste Seele erwartete. Es war der Sklave, der sich selbst mithilfe des rostigen Schwerts geblendet hatte, dessen Seele nur wenig später zum Vorschein kam. Die alte Hexe stürzte sich darauf, als wäre sie am Verhungern, und verschlang die seltene Kost in einem Zug. Weitere Seelen folgten in kurzen Abständen, die sie sich ohne nachzudenken einverleibte. Die Gier enthemmte die Herrscherin. Sie war nicht mehr Herrin ihrer selbst und gebärdete sich, als sei sie eine Süchtige. Nalkaar konnte zusehen, wie die Mahlzeit auf Rajuru wirkte. Mit jeder weiteren Seele, die sie zu sich nahm, verjüngte sie ihr Aussehen um einige Sonnenwenden. Schließlich löste sich die letzte Seele aus Dardhrabs Körper. Nalkaar hatte große Mühe, die Saijkalsanhexe in ihrer Gier zurückzuhalten, er musste um seinen verdienten Preis mit ihr kämpfen. Dardhrab würde er ihr nicht freiwillig überlassen. Seine Erfahrung als Todsänger brachte ihm den entscheidenden Vorteil. Gerade als sie mit weit aufgerissenem Mund zur Tat schreiten wollte, drängte sich Nalkaar dazwischen und schnappte ihr den begehrten Happen vor der Nase weg. Rajuru schrie enttäuscht auf und begann mit den Fäusten auf den Todsänger einzuschlagen, um ihm die Beute zu entreißen. Doch es half nichts. Er war schneller und holte sich nur, was ihm zustand.
    »Beruhigt Euch«, beschwichtigte Nalkaar die Herrscherin der Rachuren, »ich überließ Euch sieben Seelen. Im Vergleich zu mir seht Ihr geradezu umwerfend aus, und

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