Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
ein wundervoller und süßer Junge, unser Tomal?«
Elischa nahm Madhrab an der Hand und führte ihn zu einem mit weißen Fellen ausgekleideten Bettchen, in dem Tomal friedlich schlief. Der Bewahrer war erst vor wenigen Horas aus dem ewigen Eis zurückgekommen, wo er sich während des letzten Mondes um die Ausbildung der Eiskrieger gekümmert hatte. Zufrieden mit den Fortschritten der Eiskrieger hatte er sich eine Auszeit gegönnt, in der er nach Elischa und dem Kind sah. Solange der Winter angedauert hatte, wähnte er seine Familie unter dem Dach des Fürstenhauses Alchovi in Sicherheit. Niemand stellte die Herkunft des Kindes infrage. In Eisbergen war Tomal der Sohn und Erbe des Fürstenpaares. Alvara hatte Elischa eine wunderschöne Kammer mit einem Balkon und einem überwältigenden Ausblick auf den Hafen und das Riesengebirge einrichten lassen, damit sie Tomal stets nahe sein konnte. Den Dienst einer Amme für den Jungen verrichtete die Orna nur zu gerne. Verdacht wurde deshalb nicht geschöpft. Es war durchaus üblich in den Fürstenhäusern der Klan, dass die Fürstenkinder in den ersten Monden von einer Amme gefüttert und aufgezogen wurden und später eine Kinderfrau zur Seite bekamen, die sich um die Erziehung kümmerte und mit den Kindern spielte.
»Das ist er in der Tat. Aber ich muss zugeben, dass ich mir Gedanken gemacht habe. Die Geburt hat dich Kraft gekostet und schwer mitgenommen. Und als ich Tomal zum ersten Mal nach der Geburt sah, hatte ich ein seltsames Gefühl.«
»Was meinst du?«, fragte Elischa, die nicht wusste, worauf Madhrab anspielte und angenommen hatte, Madhrab sei mindestens genauso glücklich und stolz wie sie über den gemeinsamen Sohn.
»Es lässt sich schwer erklären. Tomal öffnete die Augen und ich hatte das Gefühl, als gefröre das Blut in meinen Adern. Sein Blick war … wie soll ich sagen … kalt. Keine gewöhnliche Kälte, die dich frösteln lässt. Der Blick besagte weit mehr als das. Wie eine finstere Kälte, die langsam, aber unaufhaltsam durch den Körper kriecht und dich mit Boshaftigkeit erfüllt und dein Herz in Eis einbettet. Nur für einen Augenblick zwar, aber lange genug, damit ich es sehen und fühlen konnte.«
»Deine Sinne müssen dich getäuscht haben. Ich habe seit seiner Geburt nichts dergleichen festgestellt. In seinen Augen findest du nichts außer Liebe, Wärme, Dankbarkeit und Güte. Die Freude eines Kindes über das Leben selbst.«
»Das meinte ich nicht. Natürlich gedeiht er prächtig, schließlich ist er ein Lesvaraq und muss stark sein. Glaube mir, Elischa. Ich sah seine Augen. Du weißt, ich sehe gut. Da ist etwas, was ich mir nicht erklären kann und das mich besorgt macht. Sehr sogar. Tomal trägt die Insignien der Macht an zwei Stellen seines Körpers. Was hat das zu bedeuten?«, fragte Madhrab, wohl wissend, dass Elischa keine Antwort auf die Frage hatte.
»Ich glaube, die Schlacht, die Zeit im Verlies und die Folter haben dich misstrauisch und unsicher gemacht. Die Vergangenheit belastet dich. Du hast die Ereignisse nicht verarbeitet. Sie arbeiten in deinem Inneren, bewusst und unbewusst. Deine Träume werden von den schrecklichen Erlebnissen bestimmt, und überall lauern nur noch Gefahren. Ich bitte dich, Madhrab, übertrage das nicht auf unseren Jungen. Er soll unbeschwert aufwachsen. Die Zeit wird früh genug kommen, in denen er Verantwortung für Kryson übernehmen und die Bürden der Macht tragen muss.«
»Vielleicht hast du recht«, stimmte Madhrab zu, der sich plötzlich nicht mehr sicher war, ob er das alles nur geträumt oder gar auf das Neugeborene als einen Spiegel seiner selbst übertragen hatte. »Ich sollte nicht so viel nachdenken, das Grübeln führt zu nichts. Wahrscheinlich habe ich mich wirklich getäuscht oder geträumt. Ich war aufgeregt und die Zeit davor war anstrengend.«
»Ich weiß, Madhrab. Lass uns versuchen die Vergangenheit zu vergessen. Wir haben es so weit geschafft. Du hast jetzt einen Sohn, der dich braucht, und wenn du möchtest, eine Frau. Die Eiskrieger lieben dich für das, was du für sie getan hast. All das, was wir uns gewünscht haben, könnte in Erfüllung gehen.«
»Das ist bloß eine Illusion, Elischa. Der dunkle Hirte ist erwacht und bringt das Gleichgewicht auf Ell in Gefahr. Die Zeit der Dämmerung wird all das zerstören, was wir kennen und lieben, wenn wir nicht handeln. Ich würde für dich und den Jungen sterben, das weißt du. Und ich würde entgegen aller Regeln nichts lieber
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