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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Locke zu Stein.«
    Renlasol zauberte das hölzerne Kästchen aus der Innentasche seiner Weste hervor und hielt es Tallia entgegen.
    »Hier, nimm«, sagte er und sah ihr dabei tief in die Augen.
    »Du willst sie mir zurückgeben?«, fragte Tallia.
    Renlasol wusste keine Antwort auf die Frage, sondern hielt ihr weiterhin das Kästchen mit der versteinerten Locke entgegen. Tallia nahm das Kästchen entgegen und öffnete vorsichtig den Deckel. Im Inneren befand sich der Stein, der einst ihre Locke gewesen war. Tallia kniete sich zu Renlasol auf den Boden. Sie sah plötzlich sehr traurig aus.
    »Du solltest sie behalten«, sagte Tallia und reichte Renlasol das Kästchen zurück.
    Renlasol schwieg, senkte den Blick beschämt zu Boden, machte jedoch keine Anstalten, die Locke wieder an sich zu nehmen.
    »Ich weiß, dass du dir ein Wiedersehen anders vorgestellt hast. Deine Enttäuschung ist gewiss groß. Ich fühle nicht anders. Und ich kann dich verstehen. Unsere Liebe hat keine Zukunft. Aber das hatte sie nie, Renlasol. Wir waren nur zu jung und unerfahren, um das rechtzeitig zu erkennen. Heute jedoch wissen wir beide, dass wir niemals zusammen sein und das Glück der Liebe erfahren dürfen, wie es anderen vergönnt ist. Wir sind zu verschieden. Das tut weh. So viele Sonnenwenden haben wir beide auf diesen Augenblick gewartet und stellen fest, dass alles umsonst war. Und doch möchte ich, dass du die Locke aufbewahrst. Tue es für mich. Für unsereErinnerung. Denn du sollst wissen, dass ich dich liebe, wie ich es all die Zeit über getan habe. Nur in der Zeit der Dämmerung habe ich dich vergessen. Aber das war nicht mein wahres Ich. Der dunkle Hirte beherrschte meinen Verstand, meinen Leib und meine Seele. Die Locke ist und bleibt unsere einzige Verbindung. Du wirst wissen, was mit mir geschieht, wenn du sie dir ansiehst. Behalte sie, Renlasol. Du trägst bestimmt nicht schwer an ihr. Wer weiß, vielleicht bringt sie dir eines Tages wieder Glück.«
    Renlasol blickte auf und er glaubte einen Schimmer von Feuchtigkeit in Tallias Augen zu sehen. Wahrscheinlich täuschte er sich. Tallia nahm die steinerne Locke aus dem Kästchen, führte sie zu ihren Lippen und küsste sie. Dann legte sie die Strähne wieder zurück und streckte Renlasol das Kästchen erneut hin. Dieses Mal zögerte er nicht und nahm das Geschenk entgegen. Ihre Hände berührten sich für einen Moment. Tallias Haut fühlte sich glatt, hart und kalt an. Wie Stein. Renlasol wusste nicht, was er anderes erwartet hatte. Sie standen gleichzeitig auf.
    »Ich danke dir«, sagte Renlasol mit einem Kloß im Hals, der ihm das Sprechen erschwerte.
    »Du brauchst mir nicht zu danken. Einzig der Gedanke an dich hat mich am Leben erhalten. Und ich weiß, dass unsere Liebe den Tod überdauern wird. Vielleicht sehen wir uns in einem anderen Leben an einem anderen Ort wieder und finden zueinander. Niemand weiß, was uns die Ewigkeit bringt.«
    Der Gedanke an die Ewigkeit war Renlasol zu weit entfernt, obwohl er selbst, verglichen mit der Ewigkeit, vor nicht allzu langer Zeit durch einen Fluch zu den Unsterblichen gehört hatte. Dennoch konnte und wollte er sich das nicht vorstellen.
    »Du hast recht«, antwortete Renlasol, »ich liebe dich. Gleichgültig was aus uns wird und welchen Weg wir einschlagen, meine Gefühle für dich werden sich nicht ändern.«
    »Das lässt mich hoffen«, meinte Tallia mit einem Lächeln auf den Lippen. »Bekomme ich einen Abschiedskuss von dir?«
    Renlasol zögerte einen Augenblick, trat dann jedoch einen Schritt auf Tallia zu, legte die Arme um ihren Körper und zog sie dicht an sich. Sie küssten sich. Ein letztes Mal, das wie ein erstes Mal war.

    Darfas ging eilenden Schrittes voraus. Er führte Madhrab in Begleitung von Hardrab und Foljatin, die Nihara in ihre Mitte genommen hatten, zur Halle des Regenten. Madhrab hatte ungeduldig auf diesen Moment gewartet. Es wurde Zeit, die Neuankömmlinge endlich im Rat der Fürsten anzukündigen. Frisch gebadet, frisiert und in angeblich angemessene Kleidung gesteckt, hatte sich der Erste Diener – nicht ohne sich vorher selbst vom Ergebnis der Anstrengungen überzeugt zu haben – schließlich bereit erklärt, sie dem Regentenpaar und den Fürsten vorzustellen. Madhrab fühlte sich in den Kleidern nicht wohl. Die gestreiften Pluderhosen waren ihm zu weit und zu bunt. Das hellgraue Leder der Stiefel fühlte sich für seinen Geschmack zu weich an und schien ihm keinen ausreichenden Halt zu bieten. Er

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