Kryson 04 - Das verlorene Volk
und Vorstellungen zu überzeugen. Wir machen kein Geschäft. Aber ich unterbreite Euch dennoch ein Angebot, das Euch in die Verantwortung nimmt.«
»Noch kann ich Euch nicht folgen, Eure Regentschaft«, antwortete Madhrab.
Niemand in der Halle des Regenten verstand, worauf Jafdabh hinauswollte. Die leisen Gespräche waren inzwischen verstummt. Ein elektrisierendes Knistern lag über den Häuptern der in der Halle des Regenten Versammelten. Was hatte Jafdabh vor? Die Fürsten hingen an den Lippen des Regenten und warteten gebannt auf sein Angebot.
»Tja … einige meiner Gäste werden überrascht sein.«
Jafdabh blickte jeden Einzelnen von ihnen eindringlich an, so als wollte er ihre Gedanken ergründen, bevor er fortfuhr.
»Madhrab … tja … wie soll ich es in einfachen Worten ausdrücken … ich biete Euch die Regentschaft über die Klanlande an!«
Dieses Angebot war in der Tat eine Überraschung, mit der niemand in der Halle des Regenten gerechnet hatte. Ein unglaublicher Vorgang. Eine Dreistigkeit, die Jafdabh mit dem Rat der Fürsten zuvor hätte abstimmen müssen. Nichts anderes als eine Provokation konnten die Fürsten darunter auffassen. Nie zuvor in der Geschichte hatte ein Regent es gewagt, von sich aus abgedankt und einen Nachfolger vorgeschlagen zu haben, ohne zuvor die Fürsten anzuhören. Erst nach dem Tod eines Herrschers wurde dessen Erbe geregelt. Der Vorschlag war daher mehr als verwegen und ein raffinierter Zug dazu. Unter allen Regenten der vereinigten Klanlande hatte es nur einen einzigen echten Krieger gegeben. Den ersten Regenten überhaupt. Der Mann, der die Klanlande geeinigt hatte. Ruitan Garlak, die Eisenhand.
Madhrab war sprachlos. Die Fürsten hielt es bis auf Tomal Alchovi – der sich ohne jede Regung zeigte – nicht mehr auf ihren Sitzen. Sie sprangen auf und schrien wild durcheinander, beschimpften sich gegenseitig und fluchten über Jafdabh, fuchtelten mit Händen und Fäusten wild durch die Luft, als wollten sie den Regenten eigenhändig erschlagen. Offensichtlich waren sie sich – wie in den Tagen zuvor – untereinander überhaupt nicht einig. Das Angebot des Regenten entfesselte einen plötzlichen Tumult, mit dem Jafdabh zwar gerechnet hatte, dessen Heftigkeit ihm jedoch Kopfzerbrechen bereitete. Raussa hingegen hätte ihren Gatten mit Blicken getötet, wenn Jafdabh nicht seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwandt hätte, in der Halle für Ruhe zu sorgen.
»Ruhe!«, rief Jafdabh laut und hob dabei beschwichtigend beide Hände in die Höhe. »Bitte … bitte … ich bitte Euch. Bleibt doch ruhig und hört mir zu! Ich will Euch meinAngebot gerne erklären. Ich bitte um Ruhe! Ein letztes Mal, sonst lasse ich den Saal räumen.«
»Jafdabh, Ihr müsst vollkommen den Verstand verloren haben«, übertönte Madhrabs Stimme die wütenden Rufe der Fürsten, »ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Die Regentschaft steht mir überhaupt nicht zu. Wenn Ihr unbedingt wollt, führe ich ein Heer gegen den Feind oder werfe mich alleine mit meinen Getreuen den Rachuren entgegen, aber dieses Amt will ich nicht annehmen.«
»Ihr dürft mein Angebot nicht leichtfertig ablehnen«, schrie Jafdabh beleidigt, der seinen Vorstoß beinahe bereute, »die Regentschaft steht Euch sehr wohl zu. Ihr habt sie Euch verdient, und sie ist das Einzige, was ich Euch anbieten kann, um unserer Schuld Euch gegenüber einigermaßen gerecht zu werden und Euch zugleich in die Pflicht und Verantwortung für die Klanlande zu nehmen. Wir können es uns nicht leisten, auf einen Mann wie Euch zu verzichten. Ich bin Regent und unterbreite Euch dieses Angebot. Das ist mein gutes Recht. Stimmen die Fürsten meinem Vorschlag mehrheitlich zu und Ihr nehmt die Wahl an, dann werde ich abdanken und Ihr seid rechtmäßig Regent der Klanlande. Der fähigste Mann soll über die Klanlande herrschen. Ihr habt alles, was ein Regent braucht, und Eure Befähigung in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt. Glaubt mir, ich habe mich erkundigt und das Angebot wohlüberlegt. Meine Ohren und Augen waren überall. Ihr wardt der Bewahrer des Nordens und hättet Boijakmar nach seinem Ableben als Overlord beerbt, wenn Ihr nicht zuvor durch Intrigen in Ungnade gefallen wäret. Wahrscheinlich hätte Corusal Alchovi für Euch auf den Thron verzichtet, wäre er nach Haluk Sei Tans Tod gefragt worden. Madhrab, Ihr würdet schon lange auf diesem Thron sitzen, hätten Eure Widersacher Euch nicht so übel mitgespielt. Ihr seid stark,
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