Kryson 04 - Das verlorene Volk
mitgebracht hatte. Renlasol hatte sie in der Halle des Regenten gesehen und gleich bei sich gedacht, dass sie ein ungewöhnliches Wesen war, das ihn an jemanden aus seiner Vergangenheit erinnert hatte. Es war eine wehmütige Erinnerung gewesen.
»Sie ist bestimmt eine Felsgeborene«, dachte Renlasol erstaunt.Nie zuvor war er einem dieser sagenumwobenen Wesen begegnet. Die fremdartige Erscheinung faszinierte ihn. »Aber woher kennt sie mich und meinen Namen? Wir wurden uns nicht vorgestellt. Ich habe sie nur in Begleitung von Tomal Alchovi gesehen. Vielleicht hat ihr Sapius verraten, wer ich bin?«
»Wie ich sehe, erkennst du mich nicht wieder«, sagte sie.
»Sind wir uns denn schon einmal begegnet?«, fragte Renlasol verwundert.
Sie lachte über das ganze Gesicht, schien sich über das Wiedersehen zu freuen, das Renlasol vor ein Rätsel stellte. »Ich werde alt. Mein Gedächtnis lässt nach« , dachte der Fürst , »an die Begegnung mit einem steinernen Wesen sollte ich mich erinnern. Nicht einmal in meinen Träumen begegnete ich einer Felsgeborenen!«
»Ich will deiner Erinnerung gerne nachhelfen«, fuhr die Frau aus Stein fort, »ich nehme es dir nicht übel, dass du mich nicht mehr kennst. Wir waren sehr jung und haben uns seitdem beide sehr verändert. Während aus mir ein neues, fremdartiges Wesen wurde, sind deine Veränderungen eher innerlich geblieben. Aber die Kälte in deinem Herzen und die Dunkelheit auf deiner Seele kannst du vor mir nicht verbergen. Ich habe sie an mir selbst erleben müssen und weiß sehr wohl, wie sich das anfühlt. Ich sah nicht immer so aus. Die steinerne Hülle ist ein … lass es mich so ausdrücken … ein Unfall. Die magische Attacke einer Saijkalsanhexe machte mich zu dem, was ich heute bin. Ich starb an den Folgen des Angriffs und kehrte in Gestalt des steinernen Wesens zurück. Trägst du meine Haarlocke noch bei dir? Sie sollte dir Glück bringen.«
Renlasol riss die Augen auf und wich vor Schreck einen Schritt zurück. Jegliche Farbe war mit einem Schlag aus seinem Gesicht geschwunden. Er schlug die Hände vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Das wäre unpassend und ihm peinlich gewesen. Er verspürte einen Stich in seinem Herzen, der ihn durch und durch erschütterte und schmerzte.Niemals hätte er damit gerechnet, dass ihn ein Wiedersehen mit der längst verloren geglaubten Liebe seines Lebens so tief treffen würde. Er hatte doch schon vor langer Zeit mit Tallia abgeschlossen. Sie aus seinen Gedanken und seinem Herzen verdrängt. Doch offensichtlich nicht gründlich genug. Nun standen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Aus den verträumten, frisch verliebten Kindern waren Erwachsene gewordene. Mehr als das. Klan, die das Schicksal gezeichnet hatte und die beide von der Dunkelheit geschlagen worden waren.
»Bei allen Kojos. Tallia! Wie ist das möglich?« , ging es ihm durch den Kopf .
Renlasol hatte die Fassung verloren, sank vor Tallia auf die Knie und begann bitterlich zu weinen. »Das darf nicht wahr sein«, Renlasol drohte den Verstand zu verlieren , »das muss ein Albtraum sein.« Ihm wurde plötzlich bewusst, dass sich sein Herz trotz aller Bemühungen sie zu vergessen, nach einem Wiedersehen mit Tallia gesehnt hatte. Aber diese Begegnung schockierte ihn mehr, als ihm lieb sein konnte. Sie raubte ihm die letzten Hoffnungen, die er nicht wahrhaben wollte und insgeheim mit sich herumgetragen hatte.
»Natürlich habe ich deine Locke noch«, flüsterte Renlasol zwischen zwei Schluchzern stimmlos, »ich bewahre sie stets in einem hölzernen Kästchen auf, das ich über meinem Herzen trage. Selbst als sie mir kein Glück mehr brachte, habe ich es entgegen allen gut gemeinten Ratschlägen nicht über mich gebracht, sie wegzuwerfen. Für die Erinnerung an dich war sie mir das Pech wert, das sie mir einbrachte.«
»Das ist rührend«, antwortete Tallia lächelnd. »Am liebsten würde ich mich zu dir auf den Boden knien und mit dir gemeinsam über unsere verlorene Vergangenheit weinen. Aber seit meiner Verwandlung kann ich nicht mehr weinen, sosehr mir auch danach zumute wäre.«
»Erst jetzt verstehe ich, was geschehen ist«, sagte Renlasol, »deine Locke brachte mir Glück. Sie beschützte den unbeholfenen Jungen vor Gefahren und Verletzungen. Doch eines Tages wurde sie schwarz und stürzte mich ins Unglück. Quadalkar belegte mich mit dem dunklen Fluch, der bis heute auf meiner Seele lastet. Schließlich verwandelte sich die verfluchte
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