Kryson 04 - Das verlorene Volk
Doch keiner der Anwesenden brachte sich selbst ins Spiel oder wurde von den anderen vorgeschlagen. Nach mehreren Horas waren sämtliche Für und Wider mehrfach ausgetauscht worden und die Abstimmung beschlossene Sache.
»Bevor Ihr endgültig über den Vorschlag des Regenten abstimmt, solltet Ihr berücksichtigen, dass wir jemanden mitgebracht haben, die ebenfalls stimmberechtigt sein dürfte«, bemerkte Madhrab abschließend und deutete auf Nihara.
»Ich verstehe nicht«, antwortete Drolatol, »hättet Ihr vielleicht die Güte, uns darüber aufzuklären?«
»Nihara ist die Tochter und einzige Überlebende des Hauses Fallwas und daher die Erbin des Fürsten. Sie war meine Gefangene, nachdem ich Elischa aus Burg Fallwas befreit hatte, und konnte ihren Anspruch daher nicht vorbringen.«
»Wollt Ihr damit sagen, Nihara hat ein Anrecht auf den Titel des Fürsten, die Ländereien der Fallwas und eine Stimme im Rat der Fürsten?«, hakte Drolatol nach.
»Das zu beurteilen, ist nicht meine Angelegenheit«, meinte Madhrab.
»Könnt Ihr beweisen, dass sie eine Tochter aus dem Hause Fallwas ist?«, fragte Jafdabh.
»Lasst sie selbst sprechen. Ich sage Euch nur, was ich weiß. Sie ist Chromlions Tochter«, erwiderte Madhrab.
Jafdabh hatte sich von den Angriffen seiner Gattin wieder einigermaßen erholt und wandte sich Nihara zu. Er war sich unsicher, was er tun sollte. Die Verhandlungen nahmen nicht den von ihm erwarteten Verlauf.
»Ist es wahr, was Madhrab spricht?«, wollte er von Nihara wissen.
Das Mädchen trat vor. Seine Haltung war aufrecht und stolz. In Niharas Augen stand Entschlossenheit und der ungebrochene Wille einer Fürstentochter.
»Ich bin erstaunt über die Worte des Lordmasters und vor allem darüber, dass er mir Gehör vor dem Rat der Fürsten verschafft«, sagte Nihara, »das hätte ich als seine Gefangene nicht erwartet. Aber er spricht die Wahrheit. Madhrab tötete meinen Vater Chromlion und meine Brüder. Sie hatten keine Chance gegen ihn. Ich wollte ihren Tod rächen, konnte ihn jedoch ebenfalls nicht überwinden und wurde im Kampf schwer verletzt. Seitdem hielten mich Madhrab und seine Schergen gefangen. Eine unwürdige Gefangenschaft voller Entbehrungen, Schmutz und Demütigungen.«
»Weshalb wusste der Rat der Fürsten nichts von der Existenz des fürstlichen Nachwuchses aus dem Hause Fallwas?«, fragte Jafdabh die Tochter Chromlions.
»Ich … ich weiß es nicht, Eure Regentschaft«, Niharas Stolz brach ein und sie senkte den Kopf.
Sapius hatte Nihara die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet. Heiß und kalt war es ihm über den Rücken gelaufen, als er ihr Antlitz zum ersten Mal erblickt hatte. Ihre Ähnlichkeit mit Elischa war nicht zu übersehen, und es kam ihm vor, als würde er sie zum ersten Mal voller Bewunderung erblicken. Er konnte sich denken, was den Fürsten dazu veranlasst hatte, die Existenz seiner Tochter zu verheimlichen.
»Darf ich etwas dazu sagen?«, meldete sich Sapius zu Wort.
»Wenn Ihr einen Beitrag zur Aufklärung ihrer wahren Herkunft und der behaupteten Rechte leisten könnt, warum nicht?«, antwortete Jafdabh.
»Soweit wir wissen, war Chromlion niemals verheiratet. Er war ein Bewahrer und Lordmaster wie Madhrab. Nach dem Tod seines Vaters verabschiedete er sich von den Bewahrern und übernahm das Fürstentum Fallwas. Seine Kinder können daher nicht rechtmäßig sein«, meinte Sapius.
»Was meint Ihr damit?«, wunderte sich Jafdabh.
»Sie sind Bastarde«, zögerte Sapius keinen Augenblick, das Wort der Schande in den Mund zu nehmen.
»Also nicht standesgemäß, wollt Ihr sagen?«, fragte Jafdabh.
»Das ist richtig, Eure Regentschaft«, behauptete Sapius, »durch Niharas Adern mag das Blut der Fallwas fließen. An diesen Worten zweifle ich nicht. Dennoch hat sie kein Anrecht auf das Erbe des Fürsten. Sie wurde in Schande gezeugt. Davon bin ich überzeugt. Ihre Mutter muss eine Gefangene Chromlions gewesen sein. Zu ähnlich sind Nihara und ihre Mutter sich. Ich kenne sie. Sie war eine Orna. Niemals hätte sie sich Chromlion freiwillig hingegeben. Ein Kind, das aus einer solchen Verbindung hervorgegangen ist, kann nicht das Erbe des Fürsten antreten. Es sei denn, es gibt keinen anderen Erben und der Rat der Fürsten stimmt einer solchen Nachfolge ausdrücklich zu. Diese Ausnahme wurde selten gemacht. Aber sie kam gelegentlich vor.«
»Das kann ich bestätigen«, warf Drolatol ein, »eine sehr alte, aber immer noch wirksame Regel.«
»Also sollten wir
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