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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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zu schaffen.«
    »Die Schriften des Ulljan und die Grundzüge seines Erbes sind mir wohlbekannt«, unterbrach Elischa die heilige Mutter.
    Ihr war bewusst, dass Hegoria ihre Bemerkung als Unhöflichkeit auffassen konnte. Aber sie brauchte sie nicht an das Wissen erinnern, das sie einst in gemeinsamen Horas gelernt und diskutiert hatten.
    »Ich weiß, dass du es weißt. Aber nicht jede unserer Schwestern besitzt deine Fähigkeiten und hat das Erbe auf unsere Weise verstanden. Sie halten den Orden für überflüssig. In ihren Augen sollte er bald aufgelöst werden. Sie warten nur darauf, bis ein Lesvaraq zu uns kommt und unsere Aufgabe beendet. Während der Zeit des Wartens vergnügen sie sich und vernachlässigen ihre Pflichten. Die Bewahrer bekräftigen sie darin und unterstützen sie. Jeden Abend nach Einbruch der Dämmerung holen sie sich Ordensschwestern ins Haus des hohen Vaters, um zu trinken und Feste zu feiern. Sie leben ihre Triebe mit unseren jungen Schwestern in Orgien aus, als wären sie Tiere. Das ist furchtbar. Aber mir fehlt die Kraft, mich dagegen zur Wehr zu setzen. Als ich noch stärker war und die Krankheit gerade erst ihren Anfang genommen hatte, fürchtete ich mich vor einer Spaltung der Ordenshäuser. Ich sah daher tatenlos zu. Das war ein Fehler, den ich nicht wiedergutmachen kann. Der Verfall unserer Sitten wurde mit jedem weiteren Tag unaufhaltsam. Für mich jedenfalls. Sie haben den Respekt verloren und hören nicht mehr auf mich oder die übrigen gemäßigten Schwestern unseres Hauses. Die Bewahrer hingegen bedrohen und unterdrücken uns, statt uns vor Unheilzu beschützen. Sie halten uns wie Gefangene in unserem eigenen Haus. Es gibt einen einfachen Weg hinein, aber keinen hinaus. Keine Orna darf das Haus verlassen, außer sie tut es, um den Bewahrern zu Gefallen zu sein und mit ihnen sündig das Lager zu teilen.«
    »Das ist furchtbar!« Elischa war entsetzt und besorgt zugleich. »Wie kam es dazu? Ich kenne Yilassa, sie ist eine gute und fähige Frau. Madhrab schätzt sie hoch.«
    »Lordmaster Madhrab?« Die heilige Mutter hustete und spuckte Blut in ein Tuch, das sie in ihrer Hand hielt. »Euer Geliebter? Es wundert mich nicht, dass er von Yilassas Fähigkeiten überzeugt ist. Entschuldige Elischa, aber Madhrab ist ein Mörder, der den Orden verraten hat und nicht davor zurückschreckte, seine eigenen Brüder abzuschlachten.«
    Elischa wurde plötzlich hellwach. Diese ungerechten Vorwürfe gegen Madhrab, die sie in der Vergangenheit immer wieder hatte hören müssen, hatten ihr gemeinsames Glück und ihr Leben zerstört. Sie reagierte empfindlich und verärgert darauf.
    »Das ist nicht wahr. Lügen und Intrigen haben ihn zu einem Verbrecher abgestempelt«, regte sich Elischa auf. »Er hat sich den Vorwürfen gestellt und eine unvorstellbare Bestrafung dafür erhalten. Selbst wenn er schuldig gewesen wäre – was er nicht war –, hat er wahrlich genug gelitten, um alle Verbrechen mehrerer Leben zu sühnen. Er entkam der Grube und ihm wurde vergeben. Es ist nicht richtig, ihn noch immer als Mörder und Verräter zu bezichtigen.«
    »Schon gut. Der Grube zu entkommen war in der Tat ein Wunder. Die Kojos müssen ihm beigestanden haben. Verteidige ihn daher nur, ich will es dir nachsehen und nicht mit dir streiten«, lenkte Hegoria ein, »es geht mir nicht um ihn. Aber Yilassa ist besessen, von einem abgrundtief dunklen Wesen beseelt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie mit demdunklen Hirten im Bunde steht. Sie lässt zu, dass in ihrem Haus gemordet und unaussprechliche Dinge getrieben werden. Ich will nicht wissen, was sie in den Verliesen anstellen. Womöglich haben sie sich mit dem Herrn der Grube verschworen, der ihren Geist mit Boshaftigkeit vergiftet und sich insgeheim freut, dass er an ihren schlechten Gedanken teilhaben darf und wieder erstarkt. Schlimm genug, dass wir kaum noch geeigneten Nachwuchs finden. Die Begabung scheint in diesen Zeiten rar gesät. Weder die Orna noch die Bewahrer finden die Kinder, die wir für die lange Ausbildung benötigen. Am schwersten getroffen hat es die Atramentoren. Erst vor wenigen Monden wurde ein erfahrener Meister der Schriften im Haus des hohen Vaters ermordet. Wir haben seinen Leichnam untersucht. Er wurde auf dieselbe Weise ermordet wie einst die heilige Mutter, deren Nachfolge ich antrat. Ich bin mir sicher, dass es derselbe Mörder war und Yilassa ihm Schutz gewährt.«
    Elischa erschrak bis ins Mark. Sie kannte den Mörder der heiligen

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