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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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vorbildlichen Fürsorge für ihren Sohn loben. Nalkaar würde es schon reichen, wenn sie ihn wenigstens nicht mit Vorwürfen überhäufen und ihn in Ruhe seine Arbeit erledigen lassen würde. Mischte sie sich zu sehr in seine Angelegenheiten, könnte dies seine Pläne gefährden. Solange er Rajuru allerdings zufriedenstellen konnte und ihr von den Erfolgen ihres Vormarsches berichten durfte, hatte sie keinen Grund, Nalkaars heimliche Führung über die Rachurenarmee infrage zu stellen. Sie wusste sehr wohl, dass seine strategischen Fähigkeiten weitaus besser für den Feldzug geeignet waren als die ihres von Rachegelüsten getriebenen Sohnes.
    »Aber weiß sie auch, dass ich ihr überlegen bin?«, fragte sich Nalkaar insgeheim und gab sich selbst die Antwort darauf . »Wahrscheinlich nicht. Ich sollte mich allerdings hüten, ihr dieses Gefühl zu vermitteln. Die Hexe ist unberechenbar.«
    Der Todsänger wusste, seine Gelegenheit würde kommen. Nalkaar war klug genug, seine Worte mit Bedacht zu wählen und seine Gedanken zu verhüllen. Rajuru würde seinen Verrat nicht bemerken, bis er sich stark genug fühlte und ihr eines Tages in ihrer letzten Stunde gegenübertreten würde.
    »Ihre Seele ist mein. Das war sie schon, als sie mich einst zu ihrem Schüler auserkor. Sie und ich wussten es nur noch nicht. Lächerlich, wenn sie glaubt, sie habe ihre Seele bereits dem dunklen Hirten verschrieben. Was soll er damit anfangen? Er hat sie verstoßen. Jetzt gehört sie mir.«
    Nalkaar stieg plötzlich ein Geruch in die Nase, der ihm seltsam bekannt vorkam.
    »Was mag das sein?« , fragte er sich.
    Der Todsänger sah sich um. Niemand sonst schien seine Wahrnehmung zu teilen. Weder die Drachenchimären noch Grimmgour reagierten auf den verlockenden Duft. Nalkaar konzentrierte sich darauf, versuchte den beißenden Gestank nach verkohlten Körpern davon zu trennen und sog die Luft tief durch seine Nüstern ein. Seine Sinne hatten ihn nicht getäuscht. Es roch nach Leben. Jungen, unschuldigen Seelen. Danach hatte er gesucht. Sie mussten etwas übersehen haben.
    »Wo kommt das her?« , fragte er sich weiter.
    Neugierig streckte er den Kopf und blickte in Richtung Waldrand.
    »Faraghad, welches Geheimnis verbirgst du vor meinen Augen?« Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
    Der Duft umgarnte ihn, lockte ihn und doch widerstand er der Versuchung, sich auf die Suche nach der Ursache zu machen und sich in den Wald zu begeben. Und wenn er in jenemAugenblick noch so gerne um die Seelen gesungen hätte, die sich dort im Schatten der Bäume vor seinen Blicken versteckten. Er war satt, konnte sich im Gegensatz zu seiner Königin beherrschen und hatte andere Aufgaben zu erledigen.
    Rajuru wartete in Krawahta ungeduldig auf seine magische Verbindung und den Bericht. Außerdem war es Zeit, ins Lager zurückzukehren und sich auf den langen Marsch nach Habladaz vorzubereiten. In den frühen Morgenstunden vor Sonnenaufgang wollten sich die Rachuren auf den Weg machen. Der Faraghad-Wald gehörte allerdings nicht zu ihren Zielen. Nach Möglichkeit wollten sie den Wald umgehen. Die Drachenchimären wären für einen Einsatz zwischen den Bäumen denkbar ungeeignet und würden in ihrem Flug nur behindert. Ein Baumwolf hätte in seinem Jagdgebiet jedenfalls leichtes Spiel, einen Rachurendrachen zu erbeuten. Und wer wusste schon, was sie im dunklen Herzen des Waldes noch erwartete? Die Naiki? Bis heute hatte er lediglich Gerüchte über das Volk gehört und nur wenig Lust verspürt, ihre Bekanntschaft zu machen oder sich mit ihrer Magie auseinanderzusetzen. Die Gefahr war für Nalkaar greifbar, selbst wenn große Teile der Fürstentümer Otevour, Habladaz und sogar Barduar durch den Faraghad-Wald bestimmt wurden und ein Durchmarsch ihren Weg verkürzt hätte, so sie sich nicht darin verirrten. Nalkaar würde nicht den Fehler begehen und ungeduldig werden. Ihr Weg führte sie am Waldrand entlang nach Habladaz und dauerte sicher fünf oder sechs Tage länger, bis sie die Trutzburg Habladaz erreicht haben würden. Die Sicherheit seiner Truppen – und seine eigene natürlich – waren es ihm wert.
    »Glück gehabt, Kinder«, sprach Nalkaar in Gedanken zu seiner Entdeckung, »für heute lasse ich euch laufen. Euer Versteck ist gut gewählt. Ihr habt den Gesang, das Drachenfeuer und den Ansturm der Rachuren überlebt. Also habt ihr euch euer Leben und die Freiheit verdient. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wiederund ihr lasst mich um eure Seelen singen.

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