Kryson 04 - Das verlorene Volk
eigenen Volk war und sich zum Wohltäter entwickelte. Aber Ihr seid kein Regent des Krieges und hättet Eurem guten Ruf nur geschadet, wenn Ihr die Regentschaft nicht rechtzeitig niedergelegt hättet. Ich hingegen werde eines Tages allenfalls in schlechter Erinnerung bleiben. Blut, Leid und Tränen werden mich in den Tagen meiner Regentschaft begleiten. Die Klan werden mit meinem Namen Tod und Verzweiflung verbinden, wie sie es jetzt bereits tun. Traurige Zeiten. Daran kann ich nichts ändern. Das ist meine Bestimmung, und heute weiß ich, dass sie es von Anfang an war.«
»Tja … Ihr seid ein großer Krieger und tragt Euer Schicksal mit Würde«, meinte Jafdabh.
»Wenn es so wäre, hätte ich Euer Angebot niemals annehmen dürfen und mir selbst treu bleiben müssen. Nein, ich bin ein durch und durch selbstgefälliger Mann. Ich wollte die Regentschaft und habe bei der ersten sich mir bietenden Gelegenheit danach gegriffen wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalm. In der Hoffnung, ich würde wiedergutmachen können, was ich einst falsch gemacht habe, und mir zurückholen, was mir gestohlen wurde. Ein Leben. Das sind mir die Klan schuldig. Aber dieses Ansinnen hat keinerlei Würde.«
»Tja … nun, wenn Ihr das so seht, könntet Ihr womöglich recht behalten. Aber ich denke, Ihr werdet Eure Gelegenheit als Regent bekommen. Tretet den Beweis an, dass ich die richtige Wahl getroffen habe. Und wenn Ihr es nicht für Euch tut, dann eben für mich. Ihr könnt mir nichts vormachen, Madhrab!« Jafdabh musterte Madhrab aufmerksam. »Tja … ich bin eben immer noch ein Todeshändler und kann in die Herzen und Gedanken meiner Geschäftspartner sehen. Glaubt mir. In Euch steckt weit mehr, als Ihr selbst über Euch wisst. Nicht die Rache, der Gedanke an Genugtuung, Macht oder Ruhm treiben Euch an. Ihr fühlt Euch kraft Eurer Fähigkeiten verpflichtet, diese für die Klan und Eure Mitstreiter einzusetzen, und dabei vergesst Ihr meist, etwas für Euch selbst zu tun.«
Madhrab dachte über die Worte des Regenten nach. Womöglich lag Jafdabh richtig. Was sich die Klan über ihn erzählten, stimmte. Jafdabh war ein sehr guter Beobachter und im Laufe seiner Regentschaft zu einem weisen Herrscher gereift. Daran gab es für Madhrab keinen Zweifel. Wahrscheinlich war er für den ehemaligen Todeshändler wie ein offenes Buch.
»Vielleicht«, räumte Madhrab ein, »aber ich wollte nicht mein Herz bei Euch ausschütten. Am Ende habe ich getan, was ich tun musste. Ich werde mir heute die Verteidigungsstellungen vor Tut-El-Baya ansehen und die Truppen besuchen. Wollt Ihr mich begleiten?«
»Tja … ähm … nein«, lehnte Jafdabh ab. »Versteht mich nicht falsch, ich weiß Eure Einladung zu schätzen. Aber nach Eurer Ernennung zum Regenten will ich schleunigst meine Sachen packen und mich auf den Weg nach Hause machen. Weit ist es zwar nicht, aber ich kann es kaum erwarten, in mein altes Haus zurückzukehren. Außerdem wäre meine Anwesenheit bei den Truppen nicht gut für Euch. Vermute ich. Ihr müsst sie auf Euch einschwören. Dabei würde ich nur stören.Es ist daher besser, Ihr geht alleine und macht Euch ein von meiner Meinung unbeeindrucktes Bild der Lage. Ich war nie ein guter Stratege oder Taktiker, was den Krieg anging. Die Stellungen wurden von den Generalen auf den Einsatz neuer Taktiken und Waffen ausgerichtet. Ich musste mich auf ihren Rat verlassen. Viel werdet Ihr bis zu einem befürchteten Vorstoß der Rachuren daran nicht mehr ändern können. Aber vielleicht könnt Ihr die ein oder andere Lücke schließen, solltet Ihr eine finden.«
»Gut, dann ziehe ich mich jetzt zurück und bereite mich auf meine Ernennung vor.«
»Sehr wohl, Eure Regentschaft. Ich darf Euch doch sicher bereits so ansprechen, nicht wahr?«, verneigte sich Jafdabh vor Madhrab in der Annahme, dass dieser keine Einwände hatte. »Wir sehen uns in einer Hora bei der Einsetzung, die zugleich meine letzte Amtshandlung als Regent sein wird.«
Später am Morgen erhob sich die Aeras Tamar in die Lüfte. Mit ihr liefen weitere vier Luftschiffe aus, die das Leitschiff begleiten und vor Überraschungen oder Hinterhalten schützen sollten. Ihre Bäuche waren prall gefüllt mit Kanonen und Scharfschützen. Ein Bantlamor war das Prachtstück der schweren Bewaffnung an Bord. Das Riesengalwaas nahm viel Platz ein. Dafür hatten Kojen weichen und die Besatzung enger zusammenrücken müssen, um sich die wenigen übrigen Schlafplätze in Schichten abwechselnd zu
Weitere Kostenlose Bücher