Kryson 04 - Das verlorene Volk
immer wieder eindringlich zur Ruhe mahnte. Die Gruppe von Kindern hatte den Krolak nicht bemerkt. Bestimmt waren sie vor dem Angriff aus dem Dorf weggelaufen undversteckten sich nun vor dem Zugriff der Häscher. Sie fürchteten sich nicht vor ihm, sondern vor etwas anderem. Wovor auch immer sie in den Wald geflüchtet waren, es musste ihnen einen gewaltigen Schrecken eingejagt haben. Das konnte der Krolak riechen, ihr Geruch war intensiv.
Der Hunger überkam ihn und ihm lief das Wasser im Maul zusammen. Das war die beste Gelegenheit auf einen vollen Magen, seit er die Siedlung der Naiki verlassen hatte. Die Kinder waren ein Leckerbissen ohnegleichen und er würde endlich satt werden.
Durfte er sich dieses Mahl entgehen lassen? Baijosto kämpfte gegen sich selbst. Würde er jetzt seinem Trieb nachgeben, hätte er anschließend Mühe, den Krolak zu unterdrücken. Aber der Geruch war nur allzu verlockend.
»Ich werde es kurz und schmerzlos machen, Kinder. Das verspreche ich euch«, dachte Baijosto. »Und vergesst nicht, es geschieht für einen guten Zweck. Mein Überleben!«
Langsam und geräuschlos pirschte er sich von oben an die Gruppe der Kinder heran. Dabei wechselte er unbemerkt einen Baum nach dem anderen, bis er über ihnen angekommen war und auf sie hinabblickte .
»Das ist beinahe zu einfach«, dachte Baijosto nahezu enttäuscht, »ich sollte die Kinder aufscheuchen, damit sie flüchten und ich sie jagen kann.«
Baijosto brauchte sich nur fallen zu lassen und er würde auf einen Schlag zwei von ihnen reißen können. Genug, um seinen Durst an ihrem Blut stillen und sich an ihrem Fleisch sättigen zu können. Die Bestie wurde wach und seine Bereitschaft, sich ihr entgegenzustellen und um das Leben der Kinder zu kämpfen, schwand mit jeder Sardas, in der er sie länger betrachtete.
»Warum sollte ich Mitleid mit ihnen haben?«, fragte sich Baijosto. »Sie sind Klan. Nein, sie sind Nahrung. Nichts weiter. Fleisch, das sich im Wald verirrt hat. Sie werden früher oder späterohnehin sterben. Der Faraghad kennt keine Gnade. Hole ich mir die Kinder nicht, wird es ein anderer tun.«
Der Naiki in ihm versuchte sein Gewissen zu beruhigen, während der Trieb des Krolak und des Jägers immer größer wurde. Der schrille Schrei eines Jungen riss den Krolak aus seinen Gedanken.
»Verdammt« , fluchte Baijosto in Gedanken, als er die Ursache des Rufs bemerkte.
Starr vor Schreck, mit weit aufgerissenen Augen und Mund, blickte eines der Kinder nach oben. Langsam, ganz langsam bewegte sich der Arm des kleinen Jungen in seine Richtung, bis er schließlich mit ausgestrecktem Zeigefinger genau auf den Krolak deutete. Die anderen Kinder waren durch den Schrei aufgeschreckt worden und folgten dem Zeichen des Jungen.
»Jetzt oder nie« , dachte der Krolak.
Bereit, seine Beute mit Klauen und Zähnen zu zerfetzen, ließ sich Baijosto mit weit ausgebreiteten Armen fallen. Überraschend aus der Starre erwacht stoben die Kinder plötzlich in alle Richtungen auseinander. Der Sprung ging ins Leere und der Krolak landete mit leeren Armen auf dem Waldboden. Baijosto fletschte die Zähne. Ein frustriertes Knurren entwich seiner ausgetrockneten Kehle. Schnell drehte er sich um, die Verfolgung eines Jungen aufzunehmen, den er sich als erstes Opfer auserkoren hatte. Mit nur zwei Sprüngen hatte er ihn eingeholt und warf das Kind zu Boden. Der Junge schrie, versuchte sofort wieder auf die Beine zu kommen und erneut zu fliehen. Aber der Krolak stand über ihm, jederzeit bereit, seinem Opfer die Klauen in die Flanke zu treiben und ihm den Hals aufzureißen. Geifer troff aus den Lefzen des Krolak und benetzte das Gesicht des Kindes, das den Kopf vor lauter Angst und Ekel immer wieder hin- und herwarf. Der Krolak brüllte ohrenbetäubend und hob eine Pranke, um dem Jungen den entscheidenden Todesstoß zu verpassen. »Unschuldig ist des Vierten Geist, Reinheit und Stärke er den Streitern verheißt.«
Ein Geräusch ließ den Krolak aufhorchen. Er vernahm raschelndes Laub und das Knacken eines Astes in seinem Rücken. Der Krolak zögerte einen Augenblick zu lange, wurde von dem Jungen mit einem gewaltigen Ruck weggerissen und flog durch die Luft. Baijosto hatte sich durch den harten Aufprall an einem nahe stehenden Baumstamm einen Knochen gebrochen und heulte vor Schmerzen auf. Er musste nach Atem schnappen. Wütend rappelte sich der Krolak auf, schüttelte die erste Benommenheit ab und machte sich für einen Angriff auf den unbekannten
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