Kryson 04 - Das verlorene Volk
noch.«
»Danke …«, sagte Sapius leise und blickte beschämt zu Boden.
Daran hatte der Magier überhaupt nicht gedacht. Jetzt fiel ihm Tallias Anekdote wieder ein, die sie ihm eines Tages erzählt hatte. Sie hatten herzhaft darüber gescherzt und gemeinsam gelacht. Tallia hatte beiläufig erwähnt, dass sie vor einigen Sonnenwenden einen Felsgeborenen getroffen habe, der sie offensichtlich mit seinesgleichen verwechselt hatte. Sie war gerührt und belustigt zugleich, weil sie den Eindruck hatte, der Burnter habe sich ihr gegenüber unbeholfen und wie ein frisch verliebter Jüngling auf Brautschau benommen. Sie hatte sein Verhalten bloß als harmlose Schwärmerei und Folge seines Irrtums abgetan. Zwar hatte sie sich geschmeichelt gefühlt, ernst genommen hatte sie sein Werben jedoch zu keiner Zeit.
Sapius wurde plötzlich klar, wem Tallia damals im Riesengebirge begegnet war. Soweit er sich an das Gespräch mit derMagierin erinnerte, lag ihre Bekanntschaft mit Vargnar noch weit vor ihrer Ankunft in Eisbergen und ihrer Vollendung des Lesvaraq-Zyklus mit Tomal. Nach ihrer Befreiung aus der Abhängigkeit des dunklen Hirten hatte sie noch für einige Zeit bei Kallahan gelebt und den Saijkalsan bis zu seinem Tod begleitet. Offenbar hatte sie die Gefühle des Prinzen unterschätzt.
Der Magier seufzte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein liebestoller, von Rachegelüsten und Zorn getriebener Felsgeborener, der ihm nach dem Leben trachten würde, sollte er je erfahren, dass Sapius seine Angebetete erschlagen hatte. Was die Felsenfreunde über die Steine erfahren hatten, könnte Vargnar ebenso erreichen. Sapius konnte nur hoffen, dass Vargnar die Magierin längst vergessen hatte und nicht nach ihr suchte. Aber das war unwahrscheinlich. Die Felsgeborenen vergaßen nicht.
Die Zusammenkunft entwickelte sich ganz und gar nicht nach Sapius’ Vorstellungen. Im Gegenteil, er fühlte sich plötzlich, als wäre er von Feinden umringt. Ihm wurde plötzlich bewusst, wie schwierig die Suche nach dem Buch der Macht werden würde. Er sehnte sich Tomal herbei. Der Lesvaraq würde wenigstens auf seiner Seite stehen, obwohl Sapius sich – nach der letzten Unterredung mit Tallia – dessen auch nicht mehr so sicher war. Der Magier war auf sich allein gestellt und einsam. Sein Herz raste und drückte ihn. In diesem Moment wurde ihm deutlich, wie schwerwiegend der Fehler war, den er begangen hatte.
Aber des Unglücks nicht genug, die Zusammenkunft wurde noch schlimmer, als Kallya wenig später im Lager auftauchte und den Naiki-Jäger erblickte.
»Baijosto!«, rief sie, durch den Anblick des Naiki zugleich erschrocken und erzürnt, um sogleich die Übrigen gegen ihn aufzustacheln. »Duldet die Bestie nicht in Eurer Nähe. Verjagtoder tötet ihn. Er ist ein Verfluchter, der uns alle ins Unglück stürzen wird, eine bösartige Kreatur der Dunkelheit.«
Das also war Kallya, der Lesvaraq des Lichts. Und ihr Name bedeutete Hoffnung.
Sapius hatte sich stets gefragt, wie Kallya sich wohl entwickelt hatte. Ihr Auftreten erschien ihm herrisch, geradezu hysterisch gegen die Dunkelheit gewandt und zeigte ihm, wie gleichgültig der Umstand war, für welche Seite ein Wesen stand. Ob Tag oder Nacht, Sapius konnte keinen Unterschied ausmachen. Für ihn stand jedoch augenblicklich fest, die Tatsache, dass sich ausgerechnet Malidor der Lichtträgerin angeschlossen und ihren Zyklus vollendet hatte, verhieß nichts Gutes.
Sie waren Feinde und würden sich bis aufs Blut und mit allen Mitteln bekämpfen, solange die Zyklen der Lesvaraq dauerten. Der Magier war ratlos, wie sie ihre Feindschaft während der Suche nach dem Buch in ein gemeinsames Erfolg versprechendes Zusammenwirken umwandeln konnten. Für Sapius war ausgeschlossen, dass er Malidor je wieder vertraute.
Er hatte Baijosto beobachtet und musste dringend etwas unternehmen, bevor die Situation weiter eskalierte. Der Naiki war aufgebracht und schnaubte wütend. Es würde nicht lange dauern und der Krolak bräche in ihm hervor, um den Lesvaraq anzugreifen.
»Baijosto ist ein Krolak, na und?«, versuchte Sapius den Lesvaraq zu beschwichtigen. »Wir wissen um seinen Fluch und können damit umgehen, so wie er ihn beherrscht. Niemand unter uns ist ohne Fehl und verbirgt sein dunkles Geheimnis vor den anderen.«
Während Sapius sprach, blickte er anklagend zu Malidor, als wolle er ihm sagen, » Ich weiß, wer du bist und was du mir angetan hast «. Kallya war der Blick nicht entgangen und sie sah
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