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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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vielleicht möglich, in die Welt der Lebenden zurückzukehren«, erläuterte Tarratar.
    »Sollte ich jemals den Weg aus den Schatten finden, werdet Ihr Euch vorsehen müssen, Tarratar«, maulte Tomal, »niemand hintergeht mich ungestraft.«
    »Euer Zorn wird vergehen. Ihr müsst noch viel lernen, Lesvaraq. Vor allen Dingen müsst Ihr Euch in Geduld üben und Eure Gefühle im Zaum halten. Bevor ich Euch zur zweiten Schwelle weiterziehen lasse und Ihr dort Euren zweiten Tod erwarten dürft, beantwortet mir eine Frage.«
    »Wie lautet Eure Frage?«
    »Kennt Ihr den Wanderer ohne Namen und Gesicht?«, fragte Tarratar.
    »Ihr meint die Gestalt aus meinen Träumen?«
    »Ihr kennt ihn also, das ist gut«, lächelte Tarratar. »Es hätte mich gewundert, wenn es anders wäre. Wer ist der Wanderer?«
    »Er trägt keinen Namen«, antwortete Tomal.
    »Das habe ich Euch nicht gefragt«, grinste Tarratar.
    »Verzeiht, der Wanderer ist der Geist der Lesvaraq!«
    »Die Antwort ist richtig!«, sagte Tarratar. »Wisst Ihr auch, was das bedeutet?«
    »Ich bin der Wanderer«, flüsterte Tomal.
    »Hoi, hoi, hoi … Ihr seid fürwahr ein kluger Kopf und habt soeben etwas über Euch selbst erfahren. Der Wanderer ist Ulljan, Pavijur, Kallya, Tomal und all die anderen Lesvaraq des Gleichgewichts, die es auf Kryson gab. Eine multiple und höchst komplexe Persönlichkeit. Sehr mächtig, gefährlich und beinahe allwissend. Seid Euch dessen stets bewusst und versucht Euren eigenen Weg zu finden«, riet Tarratar.
    »Das werde ich«, antwortete Tomal.
    »Gut! Ihr habt die erste Prüfung bestanden. Erhebt Euch, achtet auf Euren Kopf und folgt mir nun!«, befahl Tarratar.
    Der Narr kramte einen verrosteten eisernen Schlüssel aus seiner Jacke und hüpfte voraus zur Pforte. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn zweimal um. Das Schloss gab ein knackendes Geräusch von sich. Tarratar öffnete die Pforte, die quietschend und knarrend aufschwang. Dahinter befand sich eine steile Treppe, die in die Dunkelheit führte.
    »Geht jetzt über die erste Schwelle«, forderte Tarratar den Lesvaraq auf, »ich darf Euch nicht weiter begleiten und schließe die Pforte hinter Euch zu. Am Ende der Treppe werdet Ihr einen schmalen Gang finden. Folgt ihm immer geradeaus, bis Ihr zu einer großzügigen Arena kommt. Dort wartet der zweite Wächter mit einer weiteren Prüfung auf Euch. Ihr könnt den Ort nicht verfehlen. Aber seid gewarnt, haltet Euch stets in dem Gang, gleichgültig was Ihr sehen oder hören solltet. Nehmt keine Abzweigung, auch wenn Ihr der Meinung seid, sie würde Euch schneller ans Ziel bringen. Ihr könntet Euch verlaufen und nie wieder zurückfinden. Ich hoffe für Euch und mich, wir sehen uns wieder!«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Tomal und seine Antwort war ehrlich.
    »Ein letzter Rat unter Freunden«, Tarratar klang besorgt, »Euch bleibt nicht sehr viel Zeit, das verlorene Volk zu finden und zu befreien. Lasst Euch nicht ablenken und rastet nicht. Ihr seid tot und müsst Euch nicht erholen, auch wenn Ihr denken mögt, Eure Kräfte ließen nach. Verweilt Ihr mehr als einen Tag im Reich der Schatten, wird der Rückweg mit jeder weiteren Hora schwerer, wenn nicht gar unmöglich.«
    »Danke«, nickte Tomal, »ich werde mich beeilen!«
    Tomal überschritt die Schwelle und stand auf der obersten Stufe der Treppe, deren Ende er nicht erahnen konnte. Hinter ihm fiel das Tor lautstark ins Schloss. Tarratar drehte den Schlüssel und sperrte ab.
    »Ich wünsche Euch viel Glück«, flüsterte Tarratar, »Ihr werdet es brauchen!«
    Der Narr drehte sich um, nahm seine Leier und spielte einige Töne. Dann verschwand er. In seiner Kammer angekommen beugte er sich mit sorgenvoller Miene über den versteinerten Körper des Lesvaraq und sagte:
    »Enttäuscht mich nicht! Ich habe lange genug über das verlorene Volk gewacht!«

    Langsam stieg Tomal die Treppe hinab. Ähnlich wie vor der ersten Schwelle spendeten Fackeln ein ungewöhnliches Schwarzlicht. Es war kalt. Er konnte seinen Atem sehen, aber er fror nicht. Die Stufen waren glatt und rutschig. An manchen Stellen hatte sich an den Kanten und den Wänden links und rechts seines Weges Eis gebildet. Nach dreihundert Stufen hörte Tomal auf sie zu zählen und schätzte nur noch grob ihre Zahl. Nach zweitausend gab er schließlich auch das Schätzen auf. Ein Ende der Treppe war nicht in Sicht und Tomal verlor jedes Gefühl für die Zeit. Die letzten Worte Tarratars kamen ihm in den Sinn. Er wollte

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