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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Kammer.
    »Vater, es tut mir leid. Ich kann nicht!« Tomals Stimme klang belegt.
    »Du kannst nicht?«, runzelte Corusal die Stirn. »Was soll das heißen? Wir sind im Reich der Schatten, mein Sohn. Im Tod sind wir alle gleich. Wir können tun und lassen, was und wie es uns beliebt, sofern wir die Regeln nicht verletzen und die Schatten verlassen wollen. Aber wer will das schon. Wir spielen gemeinsam Menotai, seit wir uns wiedergefunden haben. Nicht wahr, Warrhard?«
    Warrhard nickte. Aber sein Gesichtsausdruck wirkte nicht glücklich über diesen Umstand.
    »Und dieser arme Tropf hier unter dem Tisch«, fuhr Corusal fort, »für ihn gelten besondere Regeln. Er tat mir leid, musste er doch in den Flammen der Pein schmoren. Da habe ich bei den Schatten ein gutes Wort für ihn eingelegt. Seitdem muss er mir zu Füßen liegen und mir in jeder Hinsicht zu Diensten sein. Die Schatten verlangten diese Bestrafung, sonst hätten sie ihn nicht aus den Flammen ziehen lassen. AberHenro sieht mein Geschenk als Erlösung und dient mir daher gerne.«
    Das zerstörte Gesicht des Praisters starrte den Lesvaraq an und seine toten Augen funkelten unergründlich. Tomal konnte sich nicht vorstellen, dass sich der Praister zu Lebzeiten einen solchen Aufenthalt in den Schatten als letzte Ruhestätte für ein gelebtes Leben gewünscht hatte. Keine Seele würde einem anderen Toten auf ewig dienen wollen. Die Schatten versprachen Freiheit und Ruhe. Das Ende allen Leids.
    »Ich muss gehen, Vater«, sagte Tomal, »das geschieht nicht wirklich.«
    Der Lesvaraq wandte sich schaudernd ab und nahm die Beine unter die Arme. Er rannte den Gang entlang, so schnell er nur konnte.
    »Bleib bei uns, Tomal«, hörte er die Schatten hinter sich rufen.
    Die Stimmen wurden rasch leiser und verstummten schließlich ganz. Tomal rannte weiter.
    Außer Atem warf der Lesvaraq im Lauf einen kurzen Blick in eine andere, geräumigere Kammer und erkannte einen glatzköpfigen Praister, der gemeinsam mit einer anderen Schar seiner Brüder monotone Gebete murmelte. Die Schatten tanzten in wildem Reigen um die Praister herum.
    Einer davon – es war Konrael – erkannte den Lesvaraq als seinen Mörder sofort und zeigte mit aufgerissenen Augen mit dem Finger auf den Vorbeieilenden.
    »Ihr hier? In den Schatten?«, rief er dem Lesvaraq mit lauter Stimme hinterher. »Ich verfluche Euch, elender Mörder. Haltet den Frevler! Schleppt ihn in die Flammen der Pein!«
    Die Schatten stoben auseinander und folgten dem Lesvaraq in wilder Jagd. Tomal war nicht schnell genug, ihnen zu entkommen. Bald hatten sie ihn erreicht und umzingelt. Schwer atmend, nach vorn gebeugt und auf die Knie gestützt, blieber stehen. Die Schatten griffen mit langen Fingern nach ihm, aber sobald sie ihn berührten, zuckten sie zurück, als hätten sie sich verbrannt. Er konnte ihr Flüstern hören und verstand plötzlich den Sinn einzelner Worte.
    »Er ist tot und doch wieder nicht. Ein Lesvaraq, was sucht er hier? Der Sohn des Feuers. Seine Macht ist groß. Noch! Wir dürfen ihn nicht anrühren, sonst vergehen wir!«
    Sie ließen augenblicklich von ihm ab und gaben den Weg frei.
    »Zieh weiter, Lesvaraq«, hörte er eine dünne Stimme flüstern, »wir wollen dich nicht in unserem Reich haben. Erledige, was immer du hier zu erledigen hast, und verlasse die Schatten. Wir gewähren dir einen Tag. Danach wird deine Macht schwinden und du gehörst uns.«
    Tomal atmete durch. Die Begegnung war gerade noch einmal gut gegangen. Er richtete sich, so gut es ging, wieder auf und lief weiter den Gang entlang, bis dieser endlich in einen weitläufigen Raum mündete. Der Lesvaraq sah sich erstaunt um. Er befand sich in einer Art Arena, die ringsum von Steinwänden umgeben war. An einigen Stellen ragten in Brusthöhe Eisendorne aus der Wand. Über der Arena befanden sich die Zuschauerränge, die sich bis weit in die Höhe erstreckten. Allerdings konnte er die Decke darüber nicht erkennen. Sein Blick durchdrang das Schwarz nicht. Der Boden war mit feinem, rotkörnigem Sand gefüllt.
    Inmitten der Arena kniete eine Frau. Sie trug eine schwere Rüstung. Ihre Hände ruhten gefaltet auf dem Knauf eines gigantischen Schwertes. Sie hielt den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Plötzlich blickte sie auf und fixierte den Lesvaraq mit ihren stahlblauen Augen. Ihr Haar war blond und sie trug es zu zwei langen Zöpfen geflochten, die ihr links und rechts auf die Schultern fielen. Langsam erhob sie sich.
    Tomal

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