Kryson 04 - Das verlorene Volk
ihre Aufmerksamkeit. Ihr Flüstern füllte die Arena mit einem unheimlichen Rauschen.
Die Wächterin zögerte nicht.
Ihr Vorstoß war schwungvoll und stark. Tomal musste das Schwert des Nordens mit beiden Händen halten, um den Hieb abzufangen. Seine Arme schmerzten, als die Klingen aufeinanderkrachten und Iskrascheer gefährlich nachgab und in seinen Händen zitterte. Er brachte das Schwert kaum nach oben, um sich gegen ihre wütend vorgetragenen Angriffe zu schützen.
Hieb auf Hieb folgte. Daleima ließ dem Lesvaraq keine Gelegenheit, einen Gegenangriff zu führen. Sie jagte ihn durch die Arena und versuchte ihn an die Wand zu drängen. Während seine Kräfte bald nachließen, schienen ihr die vehementen Angriffe überhaupt nichts auszumachen. Im Gegenteil, sie führte das Schattenschwert mit einer Leichtigkeit und Schnelligkeitund einer solch enormen Kraft, die Tomal schwindelig werden ließ. Er wusste nicht, wie er sich ihrer erwehren konnte.
Kaum war er ihr für einen kurzen Augenblick entgangen, setzte sie schon nach. Wieder und wieder. Tomal stolperte auf der Flucht und fiel nach vorne in den Sand. Daleima ließ ihm keine Zeit, sich auszuruhen. Schon hörte er ihre stampfenden Schritte in seinem Rücken. Er nahm eine Handvoll Sand, um sie ihr ins Gesicht zu schleudern in der Hoffnung, sie damit für einen Augenblick blenden zu können und den Vorteil für sich auszunutzen. Aber der Sand verflüssigte sich.
»Was soll der Unsinn?«, hörte er Daleima lautstark raunen. »Wollt Ihr mich etwa mit kindischen Tricks besiegen und mich mit Dreck bewerfen? Die Arena wurde vor langer Zeit mit dem Blut der Gefallenen gefüllt. Inzwischen ist es zu Staub und Sand geronnen. Nehmt Ihr es jedoch in die Hand, erwacht das Blut für einen Augenblick wieder zum Leben, bevor es erneut zerfällt. Steht auf und kämpft wie ein Mann! Die Prüfung ist noch nicht zu Ende.«
Tomal rappelte sich auf und drehte sich rasch um. Im letzten Moment konnte er ihren tödlich gedachten Stoß noch ablenken. Aber die Schattenklinge schnitt entlang der Brust durch seine Lederpanzerung, als sei diese aus Luft, und verletzte seine Haut.
»Anfängerpech!«, höhnte Daleima.
Sofort sprangen Schatten von der Klinge auf ihn über und versuchten über die Wunde in ihn einzudringen. Tomal schrie auf. Die Schmerzen waren unerträglich. Während er gegen die Schatten kämpfte, wich er einem weiteren Angriff aus. Er rollte sich auf dem Boden ab, sprang wieder auf die Beine und brachte einen vorerst sicheren Abstand zwischen sich und Daleima.
»Sie ist zu stark. Sie wird mich besiegen«, dachte Tomal angesichts der ihm drohenden Niederlage.
Er schüttelte die Schatten energisch von sich ab, die sich – kaum hatten sie seinen Körper verlassen – fauchend und langsam schlängelnd zum Schwert seiner Gegnerin zurückzogen. Sie bewegten sich, als wären sie verletzt.
»Nur der Sohn des Feuers ist in der Lage, sich von den Schatten zu befreien, die sich von der verfluchten Klinge auf seine Wunden stürzen«, rief Daleima, »das habt Ihr gut gemacht. Weiter so! Aber ich muss Euch warnen. Ihr müsst Euch besser schützen. Jede weitere Wunde wird Euch schwächen, bis Ihr Euch nicht mehr gegen die Schatten wehren könnt.«
»Sie will, dass ich siege«, dachte Tomal verdutzt bei sich, »aber sie lässt nicht nach und bietet mir keine Gelegenheit, einen Treffer zu setzen.«
Tomal richtete sich auf und sah seine Gegnerin entschlossen an. Bevor sie erneut angriff, setzte er sich schnell in Bewegung. Er rannte schreiend auf Daleima zu, als wollte er sie einschüchtern. Sie fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen und wartete offenbar neugierig auf das, was er vorhatte. Kurz bevor er sie erreicht hatte, ließ er sich seitwärts unter ihren Abwehrhieb hindurchfallen, rutschte über den Sand und zielte mit Iskrascheer auf ihre Beine. Die Überraschung war ihm gelungen. Daleima sprang zwar noch ausweichend zur Seite, aber der Angriff war gut geführt und traf ihr Bein oberhalb des Knies. Tomal hatte der Wächterin eine tiefe, klaffende Wunde in den muskulösen Oberschenkel geschlagen. Daleima stöhnte laut auf.
»Das war wirklich gut«, presste sie mit schmerzverzerrtem Gesicht zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor, »aber nicht gut genug.«
Sie wirbelte in einem Satz um die eigene Achse und schlug mit der flachen Seite des Schattenschwertes nach Tomal, der noch nicht wieder auf seinen Beinen stand. Der Schlag traf ihn an seiner linken Flanke und
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