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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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ich bestimmt nicht vergessen«, antwortete Tomal verärgert.
    Daleima und Tarratar sahen sich sorgenvoll an. Die Stimme des Lesvaraq war endlich wieder da und er konnte Zunge und Lippen bewegen.
    »Ihr habt es fast überstanden«, erklärte ihm Tarratar seinen Zustand.
    »Das wurde auch Zeit«, meinte der Lesvaraq, »vor Euch auf Eurem schmutzigen Fußboden zu liegen, ist wirklich nicht gerade erbaulich.«
    »Nehmt Euch doch unsere Rede nicht so zu Herzen. Ich bin ein Narr und Daleima ist nichts weiter als eine alte, frustrierte Jungfer, die ihre Bestimmung im Kampf gesucht hat, um sich von ihrem nicht vorhandenen Liebesleben abzulenken. Gegen so eine Frau kann kein Mann gewinnen!«
    »Ich muss doch schon sehr bitten, Tarratar«, empörte sich Daleima, »ihr nutzt meine Geständnisse schamlos für Eure Zwecke aus.«
    »Des Narren Wort, Euch über die Kälte in Euren Herzen hilft hinfort«, schmunzelte Tarratar.
    Tomal fühlte sich eigenartig und erleichtert, aber er konnte dem Wächter einfach nicht böse sein und musste plötzlich lachen. Er lachte über die Worte Tarratars, über sich selbst und Daleima. Das Lachen des Lesvaraq wirkte ansteckend und befreiend. Schließlich lachten sie zu dritt und hielten sich die Bäuche, bis sie ihnen wehtaten.

    Tarratar und Daleima begleiteten den Lesvaraq gemeinsam durch die Gassen von Zehyr. Die ehemalige Geisterstadt erwachte ganz langsam wieder zum Leben. Tarratar hatte nicht übertrieben, als er von einem faszinierenden Schauspiel gesprochen hatte.
    Tausende von Statuen veränderten ihr Antlitz. Sie begannen sich zu bewegen, erst unmerklich und dann immer deutlicher. Sie veränderten ihre Farben. Das Grau des Steins verblasste und wurde durch Hautfarben und bunte Kleidungsstücke ersetzt. Die Freude der Nno-bei-Maya über ihre Rückkehr und das zurückgewonnene Leben war überall zu spüren, und sie sprang sofort auf Tomal über, als ob er durch einen Funken Feuer gefangen hätte. Der Lesvaraq fühlte sich wohl inZehyr. Er konnte sich sogar vorstellen, hierzubleiben und künftig unter ihnen zu leben. Dies war jetzt seine Stadt, so wie es die Stadt der Maya war. Sie waren von seinem Blut und er war ihr Retter.
    »Meine Familie«, dachte er beglückt.
    Aber er wusste auch, dass er nicht auf Dauer in Zehyr bleiben konnte. Seine Aufgaben würden ihn zwingen, die Stadt schon bald wieder zu verlassen. Er würde sich den sieben Streitern auf der Suche nach dem Buch anschließen müssen, die gewiss nicht erfreut waren und kein Verständnis für seinen Ausflug aufbrachten. Immerhin hatte er ihre Zusammenkunft platzen lassen, indem er durch Abwesenheit glänzte. Ihr Ärger über seine einsame Entscheidung wäre berechtigt. Als Lesvaraq erlaubte er sich mehr, als er anderen selbst zugestehen würde. Dabei war er nicht besser oder schlechter als jeder andere Streiter auch. Auf ihrer Suche waren sie alle gleich.
    »Ich schlage vor, wir gehen in das innere Sanctum von Zehyr und machen der Königin unsere Aufwartung«, lenkte Tarratar den in Gedanken versunkenen Lesvaraq ab, »sie wird sicher ebenfalls erwacht sein und schon ungeduldig auf unsere Ankunft warten.«
    »Einverstanden«, antwortete Tomal, »wollt Ihr mir etwas über Saykara erzählen?«
    »Was wollt Ihr wissen?«, fragte Tarratar. »Sie ist eine Königin.«
    »Das weiß ich bereits«, meinte Tomal, »aber wie ist sie?«
    »Ihr habt sie doch gesehen. Sie ist umwerfend schön. Aber zu meinem tiefsten Bedauern glaube ich nicht, dass sie mich in ihr Bett lassen würde. Bei Euch wäre ich mir da allerdings nicht so sicher«, scherzte der Narr, »ich glaube, sie findet Euch anziehend.«
    »Tarratar!«, mischte sich Daleima tadelnd ein, »Tomals Frage ist berechtigt. Ihr solltet ihm mehr über Saykara erzählen.«
    »Nun gut, wenn Ihr beide darauf besteht«, lenkte Tarratar ein, »Ihr müsst aber wissen, dass ich Saykara im Grunde bis zu ihrer Rückkehr aus den Schatten nie selbst getroffen habe. Nicht lebend jedenfalls. Die Wacht über Zehyr und das verlorene Volk übernahm ich erst, nachdem Ulljan die Maya schon in das Reich der Schatten geschickt hatte. Davor hatte sich leider keinerlei Gelegenheit ergeben, sie persönlich kennenzulernen. Sicher, ich kenne ihre Statue, jeden Zoll ihres steinernen Körpers, jede Falte ihrer Kleidung und die Züge ihres Gesichts. Ihr Bild hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Wir standen in all der Zeit aus den Schatten heraus miteinander in Verbindung, aber sie sprach nicht mit mir.

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