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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Ich redete stattdessen mit ihrem Abbild. Eine sehr einseitige Unterhaltung, wenn Ihr versteht, was ich meine. Was ich über Saykara weiß, stammt überwiegend aus Erzählungen und aus unserer gedanklichen Verbindung, die über fünftausend Sonnenwenden dauerte. Ich sagte vorhin, sie sei eine Königin. Und das meinte ich genau so. Eine Königin will hofiert werden. Sie ist stolz, eitel und stark. Eine überaus kluge Frau. Vor langer Zeit berichtete mir ein alter Kamerad, der sie ganz gut kannte, Saykara sei sehr mächtig und magisch begabt, aber zuweilen auch wie eine Spinne in ihrem Netz, die weiß, wie sie ihre Fäden spinnen muss und die ihre Männchen frisst, nachdem sie ihre Liebe empfangen hat. Dann wiederum hat sie wohl ihre Launen, die sie aufbrausend und abweisend erscheinen lassen können. Widerspruch duldet Saykara anscheinend nur selten. Ihr solltet stets gute Gründe vorbringen können, wollt Ihr ihre Gunst nicht verlieren. Sie weiß, dass sie schön ist und welche Wirkung sie mit ihrer Ausstrahlung erzielen kann. Sie kann kalt, gnadenlos und intrigant sein. An einem Tag übt Saykara Gerechtigkeit aus, zeigt sich weise, wohingegen sie sich schon am nächsten Tag als ungerecht und willkürlich erweist. Ihre andere Seite ist jedoch liebevoll und warmherzig. Aber sie ist auch eine treue Dienerin ihresVolkes. Die Maya lieben und verehren sie wie einen Kojos. Niemals würde Saykara etwas tun, was den Maya schaden könnte. Ihr Volk weiß das und vertraut ihr in blindem Gehorsam. Jeder Nno-bei-Maya wäre ohne zu zögern bereit, sein Leben für die Königin zu opfern. Reicht Euch dieser widersprüchliche Eindruck ihrer Persönlichkeit vorerst?«
    »Ich danke Euch für die offenen Worte, Tarratar«, meinte Tomal, »sie sind hilfreich und zeigen mir, wie schwierig es ist, eine Herrscherin wie Saykara zufriedenzustellen und ein einheitliches Bild ihres Ichs zu zeichnen.«
    »Wohl wahr«, lachte Tarratar, »aber die Frauen gaben mir schon immer Rätsel auf. Dabei sollte ich der Meister der Widersprüchlichkeit sein. Am besten, Ihr macht Euch Euer eigenes Bild.«
    »Das werde ich«, antwortete Tomal.

    Die Stadt der Nno-bei-Maya erstrahlte in neuem Glanz. Das einst verlorene Volk war von den Toten auferstanden und mit seiner Rückkehr pulsierte das Leben in Zehyr erneut. Tomal dachte daran, dass Kartak vor vielen Sonnenwenden genauso gewesen sein musste. Die Kaverne unter dem Vulkan war erfüllt mit Stimmengewirr, Gelächter und Musik. Die Kristalle glitzerten hell an Wänden und Decken und erleuchteten die Stadt in ihrem neuen Licht. Der Lesvaraq hatte das Gefühl, als wirkten selbst die Häuser schöner, heller und gepflegter als zuvor. Die Veränderung war an diesem Ort überall spürbar. Die Nno-bei-Maya zeigten sich überaus geschäftig. Viele unter ihnen brachten ihre Häuser und Gärten in Ordnung. Sie putzten, schrubbten und räumten auf, als wäre dies ihr letzter Tag in Zehyr. Dabei war es ihr erster. Bald zierten wilde Blumen und Kristalle in allen Farben die Stadt.
    »Die Maya bereiten das Fest ihrer Rückkehr nach Zehyr vor«, meinte Daleima anerkennend.
    »Und sie verstehen ihr Handwerk. Ein Freudenfest, bei dem Tomal der Ehrengast sein wird«, ergänzte Tarratar und wandte sich sogleich an Tomal, »das dürft Ihr keinesfalls verpassen. Die Nno-bei-Maya feiern rauschende Feste. Ihr werdet begeistert sein.«
    Tomal zweifelte daran, ob ihm die zugedachte Rolle als Ehrengast tatsächlich zusagen würde. Er schätzte Feierlichkeiten dieser Art nicht sonderlich, hielt sie für reine Verschwendung. Allerdings konnte er die Nno-bei-Maya verstehen. Ihre Rückkehr nach so langer Zeit in den Schatten war ein besonderer Anlass. Wenn es einen Grund zum Feiern gab, dann diesen.
    Das innere Sanctum erschien Tomal größer und prächtiger als bei seinem ersten kurzen Besuch. Er überlegte, woran dieser unterschiedliche Eindruck lag, und nahm an, er käme von den Kriegern, die unmittelbar hinter den Torflügeln in langen Reihen beinahe bis zum Thron der Königin Spalier standen und die ankommenden Gäste ehrten. Ihre Statuen waren bereits beeindruckend gewesen. Doch lebend wirkten sie in ihren glänzenden Rüstungen und den schweren Vollgesichtshelmen überwältigend. Das Herz klopfte dem Lesvaraq bis zum Hals, als er unter ihren mächtigen Schwertern und den Speeren hindurchging. Vor jedem Krieger stand eine brennende Feuerschale auf dem Boden. Die Feuer brannten in einem satten Rot. Die Besucher durften unbehelligt

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