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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Tisch.
    »Ich brauche deine Erlaubnis nicht«, fuhr Tomal sie heftig an, »ich komme und gehe, wann ich will, und wenn es sein muss, lege ich Zehyr eigenhändig in Schutt und Asche und führe die Maya zurück in die Schatten.«
    »Das ist das wahre Gesicht des Lesvaraq, das ich sehen wollte«, sagte sie und setzte dabei ein künstliches Lächeln auf. »Unbeherrscht und wütend wie ein trotziges Kind. Das macht dich gefährlich. Gefährlicher, als Ulljan je hätte werden können. Setz dich wieder hin und beruhige dich. Wenn du Zehyr unbedingt verlassen willst, dann geh. Ich kann und werde dich nicht festhalten. Du bist ein freier Mann.«
    Tomals Wut legte sich. Er ließ sich auf den Stuhl fallen und seufzte. Die Königin war anstrengend, und der Lesvaraq machte keinen Hehl daraus, ihr seine Gefühle offen zu zeigen. Der Lesvaraq hatte Dankbarkeit erwartet und erhielt stattdessen unverschämte Forderungen. Niemand zuvor hatte es gewagt, mit ihm auf diese Weise zu sprechen. Er konnte Ulljans Verbrechen sogar verstehen. Die Nno-bei-Maya waren dem Lesvaraq mit Ablehnung, Hochmut und Misstrauen begegnet, und er hatte sie dafür bestraft. Verstand Saykara noch immer nicht, welcher Macht sie gegenüberstand? Hatte sie nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Weshalb reizte sie ihn auf diese Weise?
    Tomal konnte sie und ihr Volk vernichten, wenn er wollte. Sie musste das wissen und sollte seine Macht fürchten. Natürlich behagte ihm dieser Gedanke überhaupt nicht. Saykara war eine Frau nach seinem Geschmack, und unter den Maya fühlte er sich wohl.
    Die Königin ließ ihn nicht aus den Augen, während sie sprach, studierte genauestens jede seiner Regungen und versuchte dabei zu ergründen, was in ihm vorging. Das spürte er. Sie war nicht weniger vorsichtig, als er selbst es eigentlich sein wollte. Aber er hatte sich von ihr provozieren lassen. Dennoch faszinierte Saykara ihn in ihrer Überheblichkeit und der majestätischen Art. Er entschied sich, vorerst nichts zu erwidern und sie nicht noch einmal zu unterbrechen. Im Grunde lauschte er ihrer Stimme gerne und wollte unbedingt hören, was sie noch zu sagen hatte.
    »Ich will dich nicht aufhalten, aber bevor du gehst, solltest du meine Beweggründe hören. Ich bitte dich, versuche doch uns zu verstehen. Die Gabe des Kriegers gehörte von jeher den Nno-bei-Maya«, behauptete Saykara unbeirrt, »sie war ein Geschenk der Kojos an unser Volk. Ulljan stahl die Gabe. Er tat so, als gehöre die Gabe ihm und sei Teil seines Erbes. Wie ich schon sagte, ich will die Gabe des Kriegers wiederhaben. Bring mir Herz und Hirn des Kriegers, der sie einst trug. Du kennst ihn. Sein Name ist Gahaad.«
    »Der Krieger, der in den Schatten zurückblieb?«, fragte Tomal.
    »Ja, das war Gahaad«, antwortete Saykara, »er konnte nicht mit uns kommen, weil ihm Ulljan etwas Furchtbares angetan hat. Du hast gehört, dass die Schatten ihn nicht gehen lassen. Hast du seine Statue neben meinem Thron gesehen?«
    Tomal hatte die Statue am Vortag eingehend betrachtet. Sie war ihm sofort aufgefallen. Ihre Gesichtszüge waren vor Schmerz verzerrt und die Lippen geformt, als wäre ihnen ein fürchterlicher Schrei entwichen. Die Hände der Statue hatten sich an der Stelle verkrampft, wo Tomal das Herz vermutet hätte. Bei genauerem Hinsehen hatte er darunter ein hässliches Loch entdeckt, das einer tiefen, ausgefransten Wunde glich. Das Loch war leer.
    Die Schädeldecke der Statue war entfernt worden. Tomal hatte sie neben der Statue auf dem Boden liegen sehen. Der obere Teil des Schädels war wie eine Schale geformt. In die Schale hatte jemand Öl gefüllt und darin ein Feuer entfacht. Das hatte Tomal nicht sofort gesehen. Erst Tarratar hatte ihn darauf hingewiesen, der den Kopf des Kriegers offenbar als Feuerschale verwendet hatte.
    »Verstehst du den Zusammenhang?«, fragte Saykara.
    »Nein, noch nicht ganz. Erklär mir den Zustand der Statue!«, verlangte Tomal.
    »Die Statue neben meinem Thron ist Gahaads Abbild. Nachdem Ulljan uns in Stein verwandelt und zu den Schatten gebracht hatte, machte er sich daran, nach der Gabe des Kriegers zu suchen. Er wusste, dass er sie bei Gahaad suchen musste, dem ersten Krieger unseres Volkes. Gahaad war stark und widerstand dem Fluch des Lesvaraq. Doch leider nur zum Teil. Aber er war dadurch zu schwer angeschlagen und geschwächt worden. Ulljans Blick der Dunkelheit hatte ihn zwar in Teilen versteinert und zur Bewegungslosigkeit verdammt. Aber Gahaad lebte.

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