Kryson 04 - Das verlorene Volk
wurden für unsere Geduld und Ausdauer belohnt. Ein Lesvaraq führte uns in die Schatten, und ein anderer befreite uns daraus. Der Sohn des Feuers rettete uns. Wir wollen diesen Freudentag unseres Erwachens heute gemeinsam feiern und uns bei unserem Retter gebührend bedanken. Das verlorene Volk ist nicht länger verloren. Die Nno-bei-Maya sind am Leben, und mit uns wird Zehyr zu neuer Pracht erblühen. Erhebt Eure Becher und lasst uns auf Tomal, unsere unsterblichen Gäste und unsere Wiedergeburt anstoßen. Ein Hoch auf den Sohn des Feuers! Er ist einer von uns. Tomal ist ein Maya!«
Saykara setzte sich wieder und erntete viel Jubel und Applaus für ihre Ansprache. Ihre engsten Vertrauten stimmten in die Hochrufe mit ein.
»Werden du und dein Volk sich mir anschließen?«, flüsterte Tomal.
»Niemals!«, wies ihn Saykara leise zurück. »Du bist der Lesvaraq der Nacht. Die Maya beugen sich nicht der Dunkelheit. Es sei denn …«
»Es sei denn, was?«
»Du wirst mein Gemahl«, sagte Saykara. »Lege das Treueversprechen für mich ab und beuge dich fortan dem Willen deiner Königin. Du wirst nie wieder eine andere Frau begehren. Ich werde die Einzige sein, die dich berühren darf. Ich bin deine Königin. Gehst du den Bund mit mir ein, folgen die Maya dir. Wir führen die Maya gemeinsam zu neuer Macht und in eine glückliche Zukunft.«
Tomal zuckte zusammen. Das hatte er nicht von Saykara erwartet. Sie war sehr direkt. Wie konnte sie von ihm verlangen, dass er für sie das Versprechen ablegte und ihr diente. Ein Lesvaraq nahm sich keine Gemahlin. Aus guten Gründen. Er war nur dem Gleichgewicht und sich selbst verpflichtet. Ihm oblag die Bürde, Kryson zu gestalten. Versprach er ihr die Ehe und knüpfte das Band der Liebe, musste er sich auf ihre Seite schlagen und für sie einstehen. Was würde geschehen, wenn die Mächte das Ende der Maya von ihm verlangten. Das Gleichgewicht könnte ins Wanken geraten. Sie verlangte zu viel.
»Das kann ich nicht«, erwiderte Tomal.
»Du lehnst mich ab?«, funkelte sie ihn zornig an. »Ich habe dir viel von mir gegeben. Mehr als ein Mann von seiner Königin erwarten darf. Überlege dir gut, ob du mich zurückweisen willst. Du wirst Verbündete auf deinem Weg brauchen und die Nno-bei-Maya sind mächtig. Das weißt du.«
»Ich muss darüber nachdenken«, antwortete Tomal.
»Gut, aber lass dir nicht zu viel Zeit dafür. Mein Angebot steht nicht für immer, und solltest du ablehnen, wirst du keine zweite Gelegenheit erhalten.«
Der Lesvaraq fühlte sich von Saykara unter Druck gesetzt. Tarratar hatte ihn vor der Königin gewarnt. Sie wollte ihn beherrschen. Das Spiel hatte bereits begonnen. Er hätte sich nicht darauf einlassen dürfen, mit ihr das Bett zu teilen.
Er brauchte Verbündete unter den Altvorderen. Saykara wusste das und sie nutzte ihren Vorteil aus. Von Sapius wusste er, dass die Naiki Kallya folgten. Die Tartyk würden sich ihm gewiss wegen Sapius anschließen. Sie wären eine nicht zu unterschätzende Macht auf seiner Seite gewesen. Aber ihr Schicksal war mehr als ungewiss. Existierten sie noch oder hatte eine Katastrophe das Volk der Drachenreiter heimgesucht und vernichtet? Die Gerüchte verhießen nichts Gutes.Wie die Felsgeborenen zu ihm standen, war ihm nicht klar. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihnen zu sprechen.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Sapius zu bitten, Tallia zu töten. Sie hätte ein Schlüssel sein können. Aber das Licht machte ihn wahnsinnig.
Tomal war hin- und hergerissen. Schlossen sich die Felsgeborenen Kallya an, stünde er alleine da, wenn es ihm nicht gelänge, die Nno-bei-Maya auf seine Seite zu ziehen. Die Maya könnten den Ausgleich schaffen, den er dringend brauchte, wollte er gegenüber Kallya nicht in einen Nachteil kommen. Tomal würde mehr Zeit zum Nachdenken brauchen und vor allen Dingen Ruhe, um die für ihn richtige Entscheidung zu treffen. Und er wollte Sapius um Rat fragen. Doch solange er mit den Maya tafelte und ihre Rückkehr aus den Schatten feierte, würde er gewiss keinen solch gewichtigen Entschluss fassen.
Die Speisen und Getränke waren vorzüglich. Musikanten spielten zum Tanz auf und der Abend in Zehyr entwickelte sich bald zu einem rauschenden Fest. Überall in den Straßen von Zehyr wurde ausgelassen gefeiert und getanzt. Auch im Festsaal wurde gescherzt und gelacht. Die Gäste erhoben sich von der Tafel und begannen einen traditionellen Tanz zur Musik, den sie lange geübt haben mussten.
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