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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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sein Herz und seine Seele hingen an Eisbergen. Aber wahrscheinlicher scheint mir, dass er die Verantwortung schweren Herzens angenommen hätte, um den Klan zu dienen, selbst wenn dies bedeutet hätte, Eisbergen verlassen zu müssen. Welche Absichten der oberste Praister Thezael verfolgte, wissen wir bis heute nicht. Aber ich bin mir sicher, dass jener Henro von ihm ausgesandt wurde, sich bei uns einzuschleichen und Corusal zu vergiften. Die Alchovi müssen den Praistern im Weg gestanden haben. Nimm dich in Acht vor den Praistern, Tomal. Vertraue ihnen niemals und drehe ihnen nicht den Rücken zu. Sie sind verlogen und heimtückisch, sehen lediglich ihren eigenen Vorteil. Jafdabh hat Thezael durchschaut, entmachtet und mitsamt dessen gesamter Sippschaft aus Tut-El-Baya verjagt. Er hat mit Sicherheit gut daran getan.«
    »Dieser Jafdabh scheint mir doch ein klügerer Kopf zu sein, als ich dachte«, grübelte Tomal nach. »Vielleicht wäre es besser, ich überdenke meine Meinung über ihn noch einmal.«
    »Ich kenne ihn nicht persönlich, aber nach allem, was ich gehört habe, wäre es ein Fehler, ihn zu unterschätzen. Er ist wahrhaft mächtig. Wahrscheinlich der stärkste Regent, dendie Klanlande seit Ruitan Garlak erlebt haben«, meinte Alvara, »und er ist beliebt unter den Klan, weil er tatsächlich etwas getan hat, was den Klan geholfen hat und ihnen nach den finstersten Zeiten endlich wieder einen Funken Hoffnung gab. Sie sehen in ihm ihren Retter, der sie von den Schatten befreite.«
    »Und was wurde aus dem Mörder Corusals?«, wollte Tomal wissen.
    »Frag Baylhard«, sagte Alvara mit leiser Stimme, »ich weiß nur, dass er sich um Henro persönlich gekümmert hat. Baylhard liebte Corusal. Er war fürchterlich wütend, geradezu außer sich. Voller Trauer und einem abgrundtiefen Hass auf den Mörder seines Fürsten. Baylhard hat niemandem je erzählt, was er mit Henro angestellt hat. Aber der Praister wurde seither nie wieder gesehen. Dennoch gibt es genug Praister auf Ell, die uns schaden können, und soweit ich weiß, lebt Thezael noch.«
    »Ich werde ihn finden und das nachholen, was bislang versäumt wurde, Mutter. Das verspreche ich dir. Die Praister sollen für ihre Verbrechen nicht ungestraft davonkommen«, antwortete Tomal verbittert und das Feuer in seinem dunklen Auge flammte plötzlich auf.
    »Du musst vorsichtig sein, Tomal«, warnte Alvara, erschrocken von der Entschlossenheit des Lesvaraq, »ich weiß wohl, was du vermagst und wie stark du bist. Aber du darfst dich nicht dazu hinreißen lassen, blind wie ein wild gewordener Stier auf deine Gegner loszurennen. Handle überlegt und lass dich nicht von deinen Rachegefühlen leiten. Gewalt, Krieg und Vernichtung führen zu nichts. Zurückhaltung und Diplomatie zeigen dir oft andere, weitaus fruchtbarere Wege auf. Sei umsichtig und gerecht. Lerne von Sapius und höre auf seinen Ratschlag, denn er ist weise und beherrscht das Spiel, das um die Macht auf Ell gespielt wird. Unterschätze die Praister nicht, denn sie haben mächtige Verbündete und besitzen viele Anhänger. Sie sind in der Geschichte Ells tief verwurzelt. Dukannst sie nicht einfach bestrafen, denn das wird Widerstand hervorrufen, wo du ihn niemals erwarten würdest, und eine Welle der Gegengewalt auslösen, die du nicht mehr kontrollieren könntest.«
    »Mach dir keine Sorgen, Mutter«, beschwichtigte Tomal die Fürstin, »ich bin ein Lesvaraq.«
    »Ich weiß …«, antwortete Alvara und entwand sich Tomals forschendem Blick, »aber gerade das bereitet mir Sorge.«
    »Ich verstehe!« Tomal erhob sich. »Leb wohl, Mutter. Ich weiß nicht, ob und wann wir uns wiedersehen werden.«
    »Baian hall korrada, mein Sohn«, erwiderte Alvara den Abschiedsgruß, »und versprich mir, kein Unheil anzurichten. Setze deine Macht umsichtig und gewissenhaft ein.«
    Tomal sagte nichts, suchte jedoch den Blick Alvaras. Die Fürstin verweigerte ihm diesen letzten Augenkontakt. Als er ihre Gemächer schließlich ohne ein weiteres Wort verlassen hatte, verbarg sie ihr Gesicht hinter ihren Händen und weinte. Ihre Welt war für Alvara plötzlich noch einsamer und kälter geworden.

    Sapius hatte seine Habe in ein schlichtes Leinenstoffbündel gepackt und am Stab aus dem Holz des Farghlafat befestigt. Obwohl er nicht wusste, was ihn auf der Reise nach Tut-El-Baya erwartete und wie lange sie fortbleiben würden, wollte er nur die notwendigsten Dinge mitnehmen, von denen er glaubte, nicht einen Tag auf sie verzichten

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