Kryson 05 - Das Buch der Macht
war auch gut so.«
»Aber wie kann ich Euch dabei helfen?«
»Ihr verwahrt in Eurem Haus den ersten Schlüssel zur Macht«, antwortete Tarratar freiheraus.
»Wirklich? Davon weiß ich nichts.«
Tarratar tanzte und drehte sich vor Elischas Augen im Kreis herum und schüttelte seinen Kopf. Die Glöckchen läuteten wild durcheinander und deutlich lauter als zuvor. Er blieb abrupt stehen und sah die heilige Mutter strengen Blickes an.
»Ts, ts, ts … Ihr kennt die Geheimnisse der heiligen Mutter nicht und doch sitzt Ihr auf ihrem Stuhl«, tadelte Tarratar Elischa. »Wurdet Ihr denn nicht eingeweiht?«
»Die heilige Mutter Hegoria starb, bevor sie mir alles über den Orden und ihre Geheimnisse sagen konnte«, verteidigte sich Elischa.
»Ich verstehe«, nickte Tarratar, »Ihr solltet Eure Schwester Ayale fragen. Sie ist die älteste Ordensschwester im Haus der heiligen Mutter. Sie weiß weit mehr, als sie zugibt.«
»Sie ist eine gute Ordensschwester. Ayale hilft mir, wo sie kann. Aber sie ist sehr alt geworden und kommt an ihre Grenzen. Ihr scheint sie gut zu kennen«, erwiderte Elischa.
»O natürlich. Ich kenne Ayale schon sehr lange. Sie ist … «, Tarratars Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, wurde aber sofort wieder ernst, »… eine gute Freundin. Lasst Euch nicht von ihrem Alter täuschen. Sie ist kerngesund. Ayale weiß, wie sie sich vor Unbill schützen muss. Aber in letzter Zeit bereitet sie mir Sorgen, wie mir überhaupt der Zustand der Ordenshäuser Kopfzerbrechen verursacht.«
»Ich teile Eure Sorgen über die Orden der Sonnenreiter und der Orna«, nickte Elischa, »aber ich bin zugegeben etwas ratlos, was ich dagegen unternehmen kann.«
»Das hatte ich befürchtet«, sagte Tarratar betrübt, »und das ist ein weiterer Grund, warum ich Euch aufsuchte.«
»Ihr könnt mir in dieser Sache helfen? Ayale erwähnte, dass Ihr vielleicht dazu in der Lage wärt.«
»Hoi, hoi, hoi …nicht so schnell, werte heilige Mutter«, schüttelte Tarratar seinen Kopf, »ich kann Euch zwar Ratschläge erteilen und Euch den ein oder anderen Hinweis geben, damit Ihr den richtigen Weg einschlagt. Aber ich werde Eure Schwierigkeiten nicht für Euch überwinden. Das müsst Ihr schon selbst in die Hand nehmen. Mich drängen andere Aufgaben. Zuerst brauche ich den ersten Schlüssel zur Macht von Euch.«
»Wie ich schon sagte«, erwiderte Elischa, »ich weiß nicht, wo er ist.«
»Ja, ja. Das habe ich wohl verstanden. Geht zu Ayale und fragt sie nach dem Schlüssel. Ich warte so lange in Eurer Kammer auf Euch, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
Elischa hatte keine Bedenken, Tarratar in ihrer Kammer warten zu lassen. Sie hatte nichts vor ihm zu verbergen. Die heilige Mutter bemühte sich, möglichst aufrecht zu gehen, als sie ihre Kammer verließ und durch die Flure des Ordenshauses ging. Auch wenn sie nach wie vor Schmerzen beim Gehen hatte, wollte sie nicht, dass die übrigen Ordensschwestern eine Schwäche vermuteten. Das war der Grund, warum sie ihre Kammer nur selten verließ.
Die heilige Mutter fand Ayale schließlich hinter dem Ordenshaus in den Gärten, wo die alte Schwester auf den Knien rutschend einige Setzlinge mit bloßen Fingern in die Erde drückte. Ayale musste Elischa schon bemerkt haben. Sie begrüßte die heilige Mutter freundlich, drehte sich jedoch nicht um und erhob sich auch nicht, als sich Elischa ihr wortlos von hinten näherte.
»Ah, Elischa«, sagte Ayale, »schön, dass du kommst und dich endlich aus deiner Kammer an die frische Luft wagst. Das tut dir bestimmt gut, Kind. Du brauchst das Licht der Sonnen für deine Genesung und solltest öfter in den Gärten spazieren gehen. Es ist auch wichtig für die Ordensschwestern, dass du dich öfter sehen lässt.«
»Du hast sicher recht«, meinte Elischa, »aber ich bin gekommen, um dich nach etwas zu fragen.«
»Frage die alte Ayale nur«, die alte Frau setzte sich auf, drehte den Kopf und lächelte Elischa aufmunternd zu, »wenn ich eine Antwort auf deine Frage kenne, werde ich sie dir gerne sagen.«
»Du weißt, dass wir einen Gast in unserem Haus haben?«
»Ja?«, nickte Ayale fragend.
»Du kennst Tarratar gut, nicht wahr?«, wollte Elischa wissen.
»Schon eine Weile, ja«, bestätigte Ayale.
»Du hast mir nur wenig über ihn erzählt«, tadelte Elischa die alte Ordensschwester, »wer er ist und welche Aufgabe er hat. Er sagte mir, er sei ein Wächter des Buches.«
»Der erste Wächter des Buches, um genau zu sein«, korrigierte
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