Kryson 05 - Das Buch der Macht
töten? Verrat mundete Sapius überhaupt nicht. Er kam sich schäbig und böse vor. Der Magier hatte einst geschworen, das Leben des Lesvaraq zu schützen. Die Dunkelheit hatte zuletzt sein Leben bestimmt. Würde er sich von ihr lossagen können?
Sapius’ Stimmung verdüsterte sich. Am liebsten hätte er sich vom Rücken des Drachen in die Fluten unter ihnen gestürzt.
»Ein Ende mit Schrecken wäre immer noch besser als die Zukunft, die mir bevorsteht. Wie in meinem Traum. Aber die Moldawars haben mir nichts getan«, dachte Sapius finster, »das bringt nichts.«
Wie konnte die Drachenmutter nur so viel von ihm verlangen? Er hatte wahrlich genug Schwierigkeiten. Selbst der Blick auf das Leben vor ihm in seinen Händen hob seine Stimmung nicht.
»Du solltest auf Demiras Versprechen eingehen und ihr Angebot annehmen«, sagte der Drache plötzlich, »nimm sie zu deiner Frau. Sie ist die beste Wahl, die du treffen kannst.«
»Wie kommst du darauf ?«, wollte Sapius mürrisch wissen. »Hast du unser Gespräch belauscht?«
»Yasek …«, die Stimme des Drachen klang vorwurfsvollund ungeduldig, als spräche er mit einem ungezogenen Kind, »… ich bin ein Drache. Dein Drache. Unser Geist und unsere Seelen sind eng miteinander verbunden. Du kannst nichts vor mir verbergen. Ich weiß, was dich umtreibt. Wähle Demira als deine Gemahlin und folge dem Rat der Drachenmutter. Demira wird dich auf andere Gedanken bringen und dir deine Entscheidung erleichtern.«
»Ich versprach ihr, ich würde darüber nachdenken«, antwortete Sapius, »und das werde ich auch. Ernsthaft.«
»Du machst es dir viel zu schwer«, tadelte der Drache seinen Reiter. »Aber es ist dein Leben und deine Entscheidung. Der Verantwortung gegenüber den Tartyk wirst du dich allerdings nicht entziehen können.«
»Schon gut«, ärgerte sich Sapius und beendete das Gespräch, »ich habe gehört, was von mir erwartet wird.«
Für den Rest des Fluges schwiegen Haffak Gas Vadar und Sapius. Der Magier legte seinen Kopf auf die Kiste und lauschte den kratzenden und leise klopfenden Geräuschen der kleinen Drachen in ihren Eiern. Die Geräusche gaben ihm ein wenig Hoffnung für die Zukunft.
Schlüssel zur Macht
D er Besuch des Narren im Haus der heiligen Mutter war eine willkommene Abwechslung für Elischa. Tarratar hatte sich überraschend angekündigt und um eine Audienz bei der heiligen Mutter gebeten. Elischa war gespannt auf den Reisenden, von dem ihr Ayale nur wenig berichtet hatte, obwohl sie ihn offensichtlich besser kannte. Sie hatte nur gesagt, die heilige Mutter solle Tarratar unbedingt empfangen und hören, was er zu sagen habe. Der Mann sei wichtig und könne ihr in der schwierigen Lage helfen.
Die Orna hatte den Orden in einem schlechten Zustand übernommen und hatte lange gebraucht, sich von den Verletzungen zu erholen, die ihr während der Bestrafung zugefügt worden waren. Dank Ayales Loyalität und der geschickten Hände der alten Ordensschwester konnte sie aber zumindest mit der Hilfe eines Stocks wieder gehen und kümmerte sich tatkräftig um die Geschicke des Ordens. Eine schwere Aufgabe. Die Orna durften zwar Besuche empfangen, Bittsteller, Kranke und Bedürftige versorgen und sich innerhalb der Mauern der Ordenshäuser frei bewegen, ansonsten war es ihnen auf Anweisung des hohen Vaters allerdings verboten, ihr Ordenshaus zu verlassen.
Elischa wollte diesen Zustand, den sie als Gefangenschaft empfand, nicht hinnehmen. Von jeher war es die Aufgabe der Bewahrer, die Orna zu schützen und auf ihren Reisen nach Ell zu begleiten. In den vergangenen Sonnenwenden wurde kein Band mehr zwischen Orna und Bewahrern geknüpft. Yilassa hatte sich zuletzt geweigert, dieser Verpflichtung nachzukommen. Stattdessen ließen sie jede Nacht Orna ins Haus des hohen Vaters bringen, um sich mit den Ordensschwestern zu vergnügen. Das waren schwere Verletzungen der Ordensregeln.
Die heilige Mutter hatte sich fest vorgenommen, Yilassa an die gemeinsamen Werte zu erinnern und die Orden auf den alten Pfad zurückzuführen. Elischa wurde das Herz schwer, wenn sie daran dachte, wie die einst einflussreichen Orden von innen heraus verfaulten. Wie sollten die Bewahrer weiterhin die oberste Gerichtsbarkeit stellen, wenn sie sich selbst nicht an die Regeln hielten? Wie konnten die Orna Wissen sammeln und für die kommenden Generationen niederschreiben, wenn sie das Ordenshaus nicht mehr verlassen durften? Schon wurden in den Klanlanden die ersten Forderungen laut,
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