Kryson 05 - Das Buch der Macht
nachdenklich, »aber er ist am Ende doch nur ein Mann mit seinen Schwächen. Eine Frau wäre gewiss nicht so leicht zu beeindrucken. Er schuldet mir was. Und dir zu helfen wird ihn nicht überfordern. Du brauchst also kein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn du ihn um Hilfe bittest.«
Elischa machte sich auf den Rückweg. Kaum im Ordenshaus angelangt schlug sie den Weg zur Bibliothek ein. Dort fand sich der Durchgang, durch den sie am schnellsten zu den unteren Geschossen des Ordenshauses gelangen würde. Ayales Beschreibung half ihr bei der Orientierung in den schwach beleuchteten Gängen, in denen sie niemandem begegnete. Dennoch bog sie zweimal falsch ab und verlief sich, musste wieder umkehren und bis zu den Wegpunkten zurücklaufen, die siesich gemerkt hatte, um dort von vorne zu beginnen. Endlich fand sie den Schlüssel und die verborgene Kammer. Als sie aufgeschlossen hatte, spähte sie vorsichtig durch den Türspalt. Kaum hatte sie ihren Kopf hindurchgestreckt, gingen im Raum verteilte Öllampen wie von Geisterhand an und beleuchteten die Kammer. An der Wand standen Holzregale, die bis an die Decke reichten und mit Gegenständen und Schriftrollen bis oben hin vollgestopft waren. Ein Tisch und ein Stuhl standen in der Mitte der Kammer. Elischa betrat die Kammer und schloss die Tür hinter sich zu. Der Raum war groß und machte einen aufgeräumten Eindruck. Sie suchte Regal um Regal ab, öffnete Kisten und Schatullen. Sie stieß auf sowohl fremd anmutende als auch auf vertraut aussehende Gegenstände, deren Bedeutung sie nicht kannte. Aber sie konnte den Schlüssel nicht finden. Am anderen Ende des Raumes entdeckte sie schließlich einen losen Stein in der Wand, den sie herausnahm. Ohne zu zögern, griff Elischa in das so entstandene Loch und ertastete einen Hebel, der sich in ihrer Hand erstaunlich warm anfühlte und vibrierte. Sie zog daran.
Ein Regal bewegte sich und die Wand schob sich einen Spaltbreit zur Seite. Elischa stemmte sich kräftig dagegen und Zoll um Zoll gab die Geheimtür nach. Dahinter lag ein wesentlich kleinerer Raum, in dem sich ein Altar befand, der von Öllampen hell beleuchtet war. Elischa betrachtete zwei auf dem Altar liegenden Steine. Sie mussten sehr wertvoll sein, da die heiligen Mütter sie so gut versteckt hatten. Sie nahm einen der beiden Steine in die Hände. Er war schwer und hatte die Form eines Herzens. Sie glaubte das Pochen des Herzens in ihren Händen spüren zu können.
»Beeindruckend«, dachte Elischa, »wie die genaue Nachbildung eines lebenden Herzens aus dem Körper eines erwachsenen Klan, nur ein klein wenig größer.«
Sie legte das steinerne Herz wieder zurück und griff sichden zweiten Stein, dessen Gestalt, Form und Windungen sie stark an ein Gehirn erinnerten. Dieser Stein war deutlich schwerer als der Herzstein.
»Wirklich interessant« , ging es ihr durch den Kopf , »was es damit wohl auf sich hat? Warum werden die Steine hier in der Kammer auf einem Altar aufbewahrt?«
Nachdem sie das Gehirn zurückgelegt hatte, sah sie sich weiter in der kleinen Kammer um und wurde fündig. Über dem Altar war ein Vorsprung angebracht, auf dem ein hölzerner Kasten stand. Die Insignien der Macht waren in das Holz gebrannt worden. Elischa öffnete den Kasten. Darin lag der Schlüssel, den Tarratar von ihr verlangt hatte. Sie steckte ihn in ihr Gewand. Auf ihrem Rückweg durch das Labyrinth dachte sie lange über die Gegenstände auf dem Altar nach. Sie hatte eine Ahnung, was diese bedeuten konnten. Aber vielleicht würde ihr Tarratar mehr darüber erzählen, wenn sie ihn danach fragte.
»Das hat lange gedauert«, maulte Tarratar, als Elischa zurückkam.
»Wohl nicht lange genug«, konterte die heilige Mutter schmunzelnd, während sie das erstaunte Gesicht des Narren betrachtete, der sie mit offenem Mund anstarrte, »Ihr seid ja noch hier! Und ich bin nicht mehr sehr schnell auf meinen Beinen.«
»Ein Punkt für Euch, werte Mutter«, blinzelte Tarratar sie verlegen an. »Habt Ihr den Schlüssel gefunden?«
»Wer weiß?«
»Was soll das bedeuten?« Tarratar war verwirrt. »Habt Ihr ihn nun oder nicht?«
»Nicht so eilig, Tarratar. Ich habe einige Gegenstände gefunden, von denen ich mir nicht erklären kann, wozu sie gut sind und warum sie in einer Kammer verborgen werden. Ein Herz und ein Gehirn aus Stein. Wisst Ihr etwas darüber?«
»Das Herz und das Gehirn des Kriegers«, antwortete Tarratar trocken. »Was wisst Ihr überhaupt von der Macht Eures eigenen
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