Kryson 05 - Das Buch der Macht
Fluch leben zu können, ohne Schaden anzurichten. Kommt zur Besinnung. Sonst droht dem Orden der Sonnenreiter und Bewahrer das Ende.«
»Elischa, würdet Ihr das Herz des Kriegers wirklich zerstören?«, Yilassa klang plötzlich verunsichert.
Ohne eine Regung schwieg die heilige Mutter auf die Frage des hohen Vaters.
»Das würde sie, ohne zu zögern«, antwortete Ayale, »aber dazu muss es nicht kommen. Habt ein Einsehen. Ihr seid zuerst dem Orden verpflichtet. Eure Zukunft sind nicht die Bluttrinker. Das ist nur eine Bürde, die Ihr tragen müsst. Lernt damit zu leben, aber gebt den Fluch nicht an andere weiter.«
»Ich wollte den Fluch nicht verbreiten«, lenkte Yilassa ein, »es tut mir leid, dass es dazu gekommen ist. Ich habe die Beherrschung verloren. Helft mir, und ich verspreche, dass wir einen gemeinsamen Weg finden werden, unsere Orden zu den alten Werten zurückzuführen.«
»Wir werden Euch helfen, mit dem Fluch zu leben«, versprach Elischa.
In den folgenden Tagen konnte die heilige Mutter viel erreichen. Sie hatte begonnen, die beiden Orden in ihrem Sinne zu ordnen und auf den richtigen Weg zu bringen. Erschöpft von den Anstrengungen ging sie in ihr Ordenshaus zurück und legte sich in ihrer Kammer schlafen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, angekommen zu sein, und schöpfte Hoffnung. Es war ihr zwar nicht gelungen, Yilassa vollständig zu überzeugen, und sie hatte ihre Macht über die Bewahrer einsetzen müssen, um ein Einlenken zu erreichen. Es gab noch sehr viel zu tun, bis die Orden ihren einst ausgezeichneten Ruf wiederhergestellt haben würden und ihren Aufgaben wieder nachgehen konnten. Der Anfang war gemacht. Über Ayales Zugehörigkeit zu den Saijkalrae wollte sie nicht nachdenken. Nicht jetzt. Müde und zufrieden schlief die heilige Mutter ein.
Vater und Sohn
M adhrab, Foljatin und Hardrab hatten sich dem Marsch der Rachuren angeschlossen, nachdem sie Tut-El-Baya verlassen und gemäß Nalkaars Befehl Thezael die Gewalt über die Hauptstadt übertragen hatten. Bald wurden sie von Nalkaar persönlich in den Gesang der Todsänger eingewiesen. Der erste der Todsänger hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das jeweils Beste aus ihren Stimmen herauszuholen. Unermüdlich hielt er die neu gewandelten Todsänger während ihres Marsches zum Singen an. Es war ihm gleichgültig, wo und wann sie sangen. Auf dem Rücken ihrer Streitrösser oder an einem Lagerfeuer, während sie rasteten. Hauptsache, sie sangen und verstanden das komplizierte und feine Wesen seiner Komposition. Das Lied der Seelen.
Er übte mit ihnen, lobte sie, wenn sie taten, was er verlangte. Er tadelte und strafte sie, wenn sie falsch sangen.
Die Stimmen der Zwillinge behagten Nalkaar allerdings überhaupt nicht. Sie waren und blieben rau. Ihre Kopfstimmen hörten sich in seinen Ohren lächerlich an und verdarben das Lied. Nalkaar bekam Kopfschmerzen davon. Wäre es nach ihm gegangen, er hätte Gwantharabs Söhne nicht in Todsänger gewandelt. Aber sie gehörten Madhrab, der darauf bestanden hatte, die Brüder selbst wandeln und künftig lenken zu dürfen. Nalkaar hatte ihm diesen Gefallen getan und ihm ihre Seelen überlassen. Der Todsänger wollte mit Madhrab einen starken Gefährten erschaffen, der ihn künftig auf seinen Wegen begleiten sollte. Die Seelennahrung und die Macht über weitere Todsänger war eine wesentliche Voraussetzung dafür. Madhrabs Erfahrung war für Nalkaar von unschätzbarem Wert. Mit seiner und Madsicks Hilfe brauchte er vor nichts und niemandem zurückschrecken, selbst vor einem Lesvaraqnicht. Allerdings dachte Nalkaar, dass sie noch viel Arbeit vor sich hatten und Madhrab erst ganz am Anfang seiner Kunst stand. Die Ausbildung zu einem mächtigen Todsänger würde Zeit brauchen und noch viele Seelen fordern. Nalkaar wollte keinen Fehler machen. Ein Scheitern konnte er sich nicht erlauben. Bis Madhrab stark genug wäre, hoffte Nalkaar darauf, keinem Lesvaraq zu begegnen.
*
In den vergangenen Wochen und Tagen war Tomal weit gewandert. Sein Besuch auf Kartak und die Befreiung des verlorenen Volkes aus den Schatten sowie seine Begegnung mit der Königin der Nno-bei-Maya erschienen ihm wie ein allmählich verblassender Traum. Aber er hatte nicht vergessen, was sie von ihm verlangt hatte: das Herz und Gehirn des Kriegers, mit dem sie ihren ersten Krieger aus den Schatten zurückholen wollte. Und sie forderte den Tod Madhrabs von ihm, der die Gabe des Kriegers in sich trug, welche
Weitere Kostenlose Bücher