Kryson 06 - Tag und Nacht
Tag und Nacht sein. Vielleicht geht nur ein Zeitalter zu Ende, ein Volk oder mehrere sterben aus. Ein Erdbeben könnte Ell bedrohen. Womöglich wird das Gleichgewicht verschoben und das Chaos bricht aus. Niemand vermag vorauszusagen, was sein wird. Ich weiß nur, dass die Zeit unendlich ist und immer weiter voranschreitet. Egal was geschieht, das Ende ist nichts im Vergleich zur Ewigkeit und vielleicht ist es ein Anfang.«
»Aber was ist, wenn wir sterben?«, fragte Vargnar.
»Dann sterben wir und gehen zurück in den Stein. Unser Geist verbindet sich mit dem Fels und ruht, bis er wieder gerufen wird. Ist es nicht so, Rodso?«
»Doch, mein König«, bestätigte Rodso eifrig, »es ist genau, wie Ihr es beschrieben habt, wenngleich ich das Ende von dem Prinz Vargnar sprach, als eine echte Bedrohung für Ell und unser aller Leben betrachte. Ich glaube fest daran, dass es mit dem Buch der Macht zu tun hat.«
»Ganz bestimmt hat es das«, brummte Saragar, »wahrscheinlich auch mit diesem machthungrigen Lesvaraq. Du solltest ihn beseitigen, wenn du ihn triffst, Vargnar.«
»Ich weiß nicht, ob ich stark genug wäre, gegen ihn anzutreten und zu besiegen«, erwiderte Vargnar.
»Du bist ein Felsgeborener, Vargnar«, sagte Saragar vorwurfsvoll, »du musst vor nichts und niemandem zurückweichen. Du darfst keine Angst haben. Doch solltest du dich tatsächlich einmal fürchten, zeige deine Furcht nicht. Selbst vor einem Lesvaraq nicht. Nutze deine Stärken, die ich dir als Vater mitgegeben habe.«
»Ich habe keine Angst, Vater«, sagte Vargnar, »doch kenne ich meine Grenzen. Es gibt Gegner, denen ich alleine nicht gewachsen bin.«
»Natürlich gibt es die«, gab Saragar zu, »aber du bist hoffentlich klug genug, dir starke Verbündete zu suchen und dich auf einen Kampf gut vorzubereiten. Dann kannst du jeden Feind überwinden.«
»Genau darum geht es mir«, meinte Prinz Vargnar, »ich würde mich wohler fühlen, wenn wir uns gegen ein Ende – wie immer es auch sein wird – wappnen.«
»Na gut«, nickte Saragar, »meinetwegen können wir gleich damit anfangen. Was schlägst du vor?«
»Golems! Wir schaffen eine Armee von Golems zu unserem Schutz.«
Saragar ließ sich auf seinen Thron fallen und stützte den steinernen Kopf mit der Hand. Er blickte seinen Sohn nachdenklich an.
»Die Steingolems sind schwer zu erschaffen«, meinte Saragar schließlich, »besonders wenn sie in der Lage sein sollen, zu kämpfen und durchzuhalten. Wir bräuchten Hunderte, wenn nicht gar Tausende, um uns angemessen von ihnen beschützen zu lassen und eine Gefahr von unserem Volk abzuwenden. Weißt du, was das bedeutet?«
»Nein, nicht genau«, schüttelte Vargnar den Kopf.
»Rodso, erkläre es ihm«, befahl der König.
»Mein Prinz, Ihr erinnert Euch daran, wie Ihr die Golems in der verlorenen Stadt Gafassa geschaffen habt. Es hat Euch viel Kraft und Zeit gekostet, die singenden Gräber von Gafassa von ihnen bewachen zu lassen. Ihr hättet dabei Euer Leben verlieren und im Stein bleiben können. Ihr sprecht von einer Golemarmee. Dafür müsste das ganze Volk der Felsgeborenen über mehrere Wochen an der Erschaffung arbeiten. Sie dürften nicht ruhen, bis die Armee steht. In dieser Zeit wären die Felsgeborenen sehr angreifbar. Ihre Felsenhaut wird dünner und ihr Geist ist abgelenkt. Eine solch große Armee würde auch bedeuten, dass zwei oder drei größere Berge des Riesengebirges geopfert werden müssten. Ein schwerer Eingriff im Norden Ells, der gegen die Verträge mit den magischen Völkern der Altvorderen verstößt. Uralte Verträge, an die sich kaum noch jemand erinnert – aber es gibt sie, und die darin getroffenen Vereinbarungen gelten noch. Was Ihr vorschlagt, wäre ein Vertrags- und Vertrauensbruch. Es könnte einen Krieg zwischen den Altvorderen auslösen. Keines der anderen Völker wäre mit einer solchen Armee und dem schweren Eingriff in die Natur einverstanden. Die Armee würde die Existenz der anderen Völker gefährden.«
»Verstehst du, warum ich zögere?«, fragte Saragar.
»Ja, das verstehe ich. Aber wir sollten uns schützen, was auch immer uns erwartet«, antwortete der Felsenprinz.
»Weißt du was?«, sagte Saragar mit einem Lächeln auf den Lippen. »Es ist mir völlig gleichgültig, was die anderen Völker denken. Wir erschaffen deine Golemarmee. Soll Ell vor ihnen erzittern und sich fürchten. Wir werden uns nicht einfach in das Ende ergeben. Wir kämpfen bis zum Schluss, und wenn es nichts zu kämpfen
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