Kryson 06 - Tag und Nacht
versorgen. Bis dahin ziehen wir in der Nähe der Grenze zu unserem Land umher und suchen Blut in den Dörfern und Städten der Klan. Sollten wir in nächster Zeit kein Blut finden, werden wir uns solange von den Tieren nähren. Wir müssen unsere Familie vergrößern, sollten dabei jedoch vorsichtig vorgehen. Es wäre nicht gut, wenn wir Aufsehen erregen.«
Der Ruf der Streiter erreichte Renlasol wenige Tage nach ihrer Ankunft in der Höhle. Auch Yilassa und Renlasol litten unter Jafdabhs Veränderungsvisionen. Gigantische Monster rissen die Erde mit ihren Schaufeln auf, andere bohrten sich durch blanken Fels und kamen den Bluttrinkern immer näher. Die beiden fürchteten sich davor, entdeckt und verjagt zu werden. Aber schließlich hörten die Veränderungen auf und sie waren wieder in der Wirklichkeit angekommen.
»Die Streiter rufen mich nach Kartak«, gestand Renlasol, »die Steine flüstern mir diese Nachricht zu. Ich weiß nicht, warum. Aber die Suche nach dem Buch der Macht ist noch nicht zu Ende.«
»Was?« Yilassa klang entsetzt. »Du willst mich alleine in der Höhle zurücklassen?«
»Ich muss gehen«, sagte Renlasol, »die Prophezeiung verlangt es. Das Buch ist zu wichtig, es den anderen Streitern einfach zu überlassen.«
»Damit sie es uns wieder abnehmen, wie beim letzten Mal?«
»Sollte ich das Buch in die Hände bekommen, werde ich es nicht mehr hergeben.«
»Ich habe kein gutes Gefühl dabei, Renlasol«, meinte Yilassa, »Sapius und die anderen Streiter sind in der Lage, dich zu töten.«
»Das ist mir bewusst, Yilassa. Dennoch muss ich dem Ruf folgen. Ich glaube nicht, dass die Prüfungen dieses Mal allzu lange dauern werden. Wir haben einen Vorteil, wir kennen den Aufenthaltsort des Buches. Ich war noch nie auf Kartak. Die Insel soll sehr schön sein.«
»Wer behauptet das?«, erwiderte Yilassa. »Eine geheimnisumwobene Insel des verlorenen Volkes, das seinen Weg aus den Schatten zurückgefunden hat? Das ist kein Ort, den ich freiwillig betreten würde.«
»Tomal war bereits dort«, sagte Renlasol, »er kam zurück und konnte von seinen abenteuerlichen Erlebnissen bei den Nno-bei-Maya und ihrer Königin Saykara berichten. Vielleicht bekomme ich dort frisches Blut.«
»Das Blut der Altvorderen ist giftig für uns«, warnte Yilassa, »wir dürfen es keinesfalls trinken. Verstehst du? Solltest du es doch tun, werden die Krämpfe und Schmerzen unerträglich sein. Quadalkar trank einmal das Blut eines Altvorderen und wäre dabei beinahe um sein Bluttrinkerleben gekommen. Jedenfalls hat es ihn geschwächt und angreifbar gemacht.«
»Keine Sorge«, beruhigte Renlasol seine Gefährtin, »ich werde keinem Maya, Naiki, Felsgeborenen, Tartyk oder Rachuren Blut abnehmen. Ich habe auch nicht vor, einen Magier oder Praister auszusaugen, deren magische Begabung sie womöglich vor dem Fluch des Bluttrinkers schützt.«
»Gut«, beruhigte sich Yilassa, »bevor du gehst und du dich erneut mit den Streitern auf die Suche nach dem Buch machst, muss ich dir etwas gestehen.«
Renlasol horchte auf. Was könnte Yilassa ihm gestehen wollen? Vielleicht, dass sie dieses Leben in der Höhle doch nicht mit ihm führen wollte? Er hatte schon immer befürchtet, sie würde sich nicht von ihren Pflichten im Orden lösen können. Immerhin war sie der hohe Vater und ein Bewahrer. Oder wollte sie ihn gar mit auf die Suche begleiten? Hatte sie heimlich Bluttrinker geschaffen, die sie vor ihm versteckt hielt? Er hatte Gerüchte gehört, in den Verliesen unter dem Haus des hohen Vaters seien Kriecher gefangen.
»Es tut mir leid«, fing Yilassa an, »aber ich muss dringend in das Ordenshaus zurück.«
»Aber da kommen wir doch gerade erst her«, wunderte sich Renlasol.
»Du darfst nicht vergessen … ich bin der Overlord über das Haus der Sonnenreiter und Bewahrer, der heiligen Mutter der Orna im Rang gleichgestellt. Ich habe einen Eid abgelegt, dem ich bis zu meinem Tod treu sein muss.«
»Aber weshalb bist du dann mit mir geflohen und hast deinen Orden im Stich gelassen?«
»Ich habe den Orden nicht aufgegeben. Das werde ich niemals. Die Sonnenreiter sind mein Leben. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, der Fluch hat dafür gesorgt, dass mein Verstand ausgesetzt hat. Ich hätte auf jeden Fall in den Orden zurückkehren müssen. Ich dachte, ich würde beides meistern können. Den Orden zu führen und mit dir im Land der Bluttrinker eine Familie aufzubauen.«
»Dann wirst du also deinen Treueeid nicht
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