Kryson 06 - Tag und Nacht
Euch unter vier Augen unterhalten. Die Situation ist … sagen wir … prekär und nicht für jedermanns Ohren gedacht.«
»Na gut«, nickte Baylhard, »dann gehen wir in meine Gemächer. Ich lade Euch zu einem Bräu, Trockenfleisch, Käse und Kräuterbrot ein. Einfach, zünftig und gut. Ich denke, das wird Euch eher schmecken als das Mahl, das Ihr in Alvaras Gesellschaft genießen durftet.«
»Oh … ja!«, freute sich der Narr aufrichtig. »Das ist sehr … aufmerksam und freundlich von Euch.«
Während ihres Gesprächs wurde Tarratar schnell bewusst, dass Baylhard Madhrabs Kapitulation Tut-El-Bayas vor Nalkaar und den Rachuren noch nicht verwunden hatte. Er erwähnte das Schicksal der Hauptstadt und Madhrabs Tod beiläufig. Baylhards Reaktion war heftig.
»Ich kenne weder eine Stadt dieses Namens noch diesen Mann, der sich Madhrab nannte. Wo liegt dieses Tut-El-Baya? Und außerdem … was interessiert mich der Tod eines Unbekannten? Jeden verdammten Tag gehen unzählige Frauen und Männer zu den Schatten«, grollte Baylhard, »er wird es verdient haben.«
»Vielleicht hat er das sogar«, meinte Tarratar nachdenklich, »dennoch hat er auch Großes vollbracht und war sehr gut mit Fürst Corusal und den Eiskriegern befreundet. Habt Ihr nicht bemerkt, dass er zu einem Todsänger gewandelt worden war, bevor er kapitulierte und Tut-El-Baya Nalkaar und dessen Statthalter Thezael überließ?«
»Ich weiß nicht, wovon Ihr redet«, blieb Baylhard stur, »ich kannte ihn nicht.«
»Und was ist mit Tomal? Erinnert Ihr Euch vielleicht an ihn?«, fragte Tarratar verschmitzt.
»Das muss ich wohl. Immerhin ist er doch ein Alchovi oder nicht? Wie immer man das auch sehen will. Ich hoffe nur, der Bastard kehrt nie zurück, um seinen Anspruch auf das Fürstenhaus geltend zu machen. Ich wüsste nicht, was ich täte, sollte er in den Eispalast kommen und Alvaras Platz einnehmen.«
»Ihr seid sein Leibwächter gewesen, Baylhard, und er mochte Euch«, behauptete Tarratar.
»Wie schön für ihn«, brummte Baylhard, »mir kann er gestohlen bleiben. Gegen die Rachuren und die Todsänger hat er nichts unternommen. Die einzige Ausnahme war, dass er dem Regenten die Eiskrieger abstellte, um seiner fürstlichen Verpflichtung nachzukommen. Reichlich wenig für einen so mächtigen Mann. Die Nno-bei-Klan waren und sind dem Lesvaraq scheinbar nicht wichtig.«
»In diesem Punkt stimme ich Euch zu, Baylhard«, nickte Tarratar, »der Lesvaraq geht seine eigenen Wege. Die Sorgen und Nöte anderer interessieren ihn nicht. Ich muss Euch aber leider sagen, dass Tomal sich an einem Scheideweg befindet. Er ist dem Wahnsinn sehr nahe und brandgefährlich.«
»Wolltet Ihr deshalb mit mir sprechen?«
»Nein, aber es gibt einen … sagen wir … gewissen Zusammenhang zwischen Tomals Entwicklung und der Sorge, über die ich mit Euch sprechen will. Ich muss gestehen, dass ich schon mit Alvara darüber gesprochen habe. Sie war wenig begeistert von meinem Vorschlag. Das ist der Grund, warum ich zu Euch komme.«
»Was verlangt Ihr von mir? Ich soll mich gegen die Fürstin stellen?«, brauste Baylhard auf. »Das hättet Ihr Euch sparen können.«
»Auch wenn es um ihr Leben geht?«, meinte Tarratar unbeirrt.
»Was meint Ihr damit?«, wollte Baylhard wissen. »Ist Alvara in Gefahr?«
»In gewisser Weise«, nickte Tarratar, »ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber es gibt Vorzeichen, die darauf hindeuten und die sich in letzter Zeit häufen. Das ist schwer zu erklären. Das Gleichgewicht schwankt. Ich will Euch eine Frage stellen. Nehmen wir den unwahrscheinlichen Fall an, der Eispalast brenne. Alvara gäbe Euch den Befehl, sie in den lichterloh brennenden Gemächern zurückzulassen und stattdessen die Bediensteten aus dem Palast zu führen. Ihr wisst, sie würde verbrennen und sterben, solltet Ihr den fürstlichen Befehl befolgen. Was würdet Ihr tun?«
»Das ist eine schwere Frage«, Baylhard kratzte sich am Kinn, »aber ich glaube, dass ich mich an meinen Eid erinnern würde, den ich vor Fürst Corusal ablegen musste. Ich musste schwören, Alvaras Leben um jeden Preis zu beschützen, auch um den Preis seines und meines eigenen Lebens. Die Antwort ist, ich würde Alvara retten und die Bediensteten zurücklassen.«
»Und wenn sie sich weigern sollte?«
»Müsste ich zu meinem Bedauern Gewalt anwenden«, sagte Baylhard nachdenklich, »was soll diese Frage, Tarratar? Der Eispalast wird niemals brennen.«
»Nein, wird er nicht«, der Narr
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