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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Aber er blieb instinktiv stehen und drehte sich um, der Gefahr ins Gesicht zu sehen. Der Nebel des Vergessens war dichtauf und kam weiter unaufhaltsam auf ihn zu. Murhab musste sich eingestehen, dass er es ohnehin nicht mehr bis zum Tor geschafft hätte. Der Nebel war zu schnell.
    Was würde geschehen, sollte ihn der Nebel erreichen, fragte er sich. Würde er vergessen, wer und was er war? Er drehte sich noch einmal um und sah, wie die beiden Schatten weiterrannten. Ob er hinterherkam oder nicht, schien sie nicht zu kümmern. Ihr Abstand zu Murhab war schon deutlich größer geworden. Er konnte sie nicht mehr einholen, bevor sie das Tor ins Reich der Schatten erreichen würden.
    Die ersten Nebelschleier erreichten Murhab und umschlangen seine Beine. An den Stellen, an denen Murhab seine Haut nicht mit Stoff und Leder bedeckt hatte, fühlte sich der Nebel kalt und feucht an. Außerdem konnte er ein Kribbeln auf der Haut spüren. Nebelschwaden wanderten an seinem Körper hoch, wurden dichter und bedeckten ihn immer mehr, bis sie seinen Kopf erreichten und ihn schließlich vollständig verschlangen.
    Murhab war blind. Um sich herum sah er nur grau. Gelegentlich formten sich Teile des Nebels zu einem Gesicht, einer Hand oder einem Bein. Murhab war sich nicht sicher, die Erscheinungen im Nebel konnten Täuschungen sein. Er hatte Angst, glaubte Stimmen im Nebel zu hören. Wie war das Vergessen? War es wirklich schlimm, etwas wovor er sich fürchten musste, oder war es am Ende gar eine Befreiung von den Lasten seines Lebens? Wieder sah er Formen, die auf ihn zukamen, ihn angrinsten und sofort wieder im Grau verschwanden. Eine Stimme sprach zu ihm, langsam, hohl und verzerrt.
    »Kein Schatten! Kein Vergessen!«
    Die Stimme kam aus dem Nebel. Sie war überall um ihn herum, als spräche sie aus tausend Kehlen. Sie klang beinahe enttäuscht.
    »Keine Erlösung!«
    Murhab wusste nicht, wie ihm geschah. Er spürte, dass er nicht hierher gehörte, konnte die Ablehnung körperlich fühlen. Ein unangenehmes Ziehen in seinen Gliedern und ein Druck in seinem Kopf. Der Nebel stieß ihn ab, gab ihn wieder vollständig frei und zog sich zurück.
    Der Todsänger sah sich um. Gahaad und Kelamon hatten das Tor erreicht. Ihre verzweifelten Versuche, das Tor zum Reich der Schatten zu öffnen, scheiterten allesamt. Er musste ihnen helfen. Murhab schüttelte seine traumhafte Beklommenheit aus der Begegnung mit dem Nebel des Vergessens ab und setzte sich in Bewegung.
    Was den beiden Schatten nicht gelingen wollte, glückte ihm mit Leichtigkeit. Die zahlreichen Schlösser und Riegel waren offensichtlich nicht für die Schatten gemacht. Murhab entriegelte das Tor und öffnete es.
    »Wir lassen das Tor offen«, schlug Murhab vor, nachdem sie hindurchgegangen waren und in der Arena standen, »das wird die Schatten beschäftigen und besänftigen. Viele von ihnen warten schon lange darauf, in den Nebel des Vergessens zu gehen. Ich habe mitbekommen wie zornig sie waren, als das Tor erneut verschlossen wurde.«
    Murhab sollte recht behalten. Schon bald hatte sich eine lange Schlange von Schatten vor dem Tor gebildet, die sich zischend und fauchend miteinander unterhielten. Ihre Zeit war gekommen und sie freuten sich offenbar auf diesen letzten Schritt, der sie endlich ins Vergessen führte.
    Sie folgten den Lichtstrahlen, die sie durch verwinkelte Gänge führten, bis an das Portal heran. Dort hatten sich zahlreiche Schatten versammelt, die jedoch davor zurückschreckten durch das Portal nach Ell zu gehen.
    »Was ist hier los?«, fragte Murhab.
    »Das Portal lockt die Schatten zwar an, weil sie fühlen, dass sie der Schattenbeschwörerin gehorchen müssen, der Gesang jedoch hält sie davon ab, das Portal zu betreten«, meinte Gahaad. »Sie sind verwirrt und fürchten sich. Also versammeln sie sich nur und tun gar nichts. Der Gesang ist nur für mich bestimmt und erzählt, dass mein Körper für die Rückkehr meiner Seele bereit ist. Ich kann das Portal gefahrlos betreten und heimkehren. Bahnen wir uns einen Weg durch die Schatten!«
    »Gut, worauf warten wir noch? Sehen wir zu, dass wir von hier wegkommen«, schlug Murhab vor.
    Gahaad und Murhab arbeiteten sich durch die Schatten hindurch, schoben sie zur Seite und drängelten sich durch die Menge. Bald stellten sie fest, dass Kelamon zurückblieb.
    »Ich kann nicht mitkommen«, der Schatten klang verzweifelt, »der Gesang hindert mich daran. Ihr müsst mir helfen.«
    »Tut mir leid, Kelamon«, meinte

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