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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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dir. Aber glaub mir, den Atramentoren zitterten die Hände, als sie deine Geschichte aufschrieben und niemand, wirklich niemand will sie heute noch lesen. Du kannst mich nicht einschüchtern. Du bist ein Schatten und ich bin ein Todsänger, der dich beherrschen kann. Du würdest mir gehorchen müssen und könntest mir nichts anhaben. Aber ich will gar nichts mit dir zu tun haben. Also geh deiner Wege.«
    »Gut, ich gehe«, antwortete der Schatten Kelamons, »aber denk bei Gelegenheit darüber nach, ob Vergebung nicht eine Tugend ist, die dir besser zu Gesicht stünde, als mich zu einer ewigen Bestrafung zu verdammen. Du bist auch nicht besser als ich.«
    »Das weiß ich«, antwortete Murhab, »und deshalb warten die Flammen der Pein nach meinem endgültigen Tod auf mich. Aber ich werde mich dem stellen, wenn es so weit sein sollte. Bis dahin kann ich nur versuchen, einiges wiedergutzumachen und meine Seele zu retten. Verschwinde!«
    Der Geist Kelamons verschwand und Murhab stand vor der undankbaren Aufgabe, in die tieferen Ebenen zu steigen. Nach längerer Suche, bei der sich der Kapitän tatsächlich mehrfach verirrte, fand er schließlich einen Pfad, der steil abfiel und geradewegs in eine tiefe Schlucht führte. Murhab war nicht wohl während des Abstiegs. Er wusste nicht, was ihn dort unten in der Finsternis der Schatten erwartete.
    Unten angekommen, konnte er nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. Es war stockdunkel. Nur selten blitzte ein schwaches, fahles Licht auf.
    »Schatten ohne Licht?«
, fragte sich Murhab.
»Wie ist das möglich? Hier unten herrscht die finsterste Nacht. Oder sind die Schatten in den tieferen Ebenen etwa gar keine Schatten mehr, sondern Lichtgestalten?«
    Dieser eigenartige Gedanke ließ den ehemaligen Seemann und Todsänger nicht mehr los. Vielleicht veränderten sich die alten Seelen, die bereits vor langer Zeit gestorben waren und alles vergessen hatten. Machten sie sich hier unten für ein neues Leben bereit und wurden zu Lichtern? Geläutert und erleuchtet? Oder waren sie wirklich nur verlorene Seelen, die langsam vergingen und irgendwann im Nichts verschwanden?
    Schatten ohne Licht waren in Murhabs Vorstellung nicht denkbar. Das war genauso absurd, wie es keinen Tag ohne eine Nacht gab: das einfachste Gedankenspiel der Gegensätze des Gleichgewichts.
    Vorsichtig tastete sich Murhab in der absoluten Finsternis voran. Immer wieder blitzten vereinzelt Lichter auf und erloschen nach kurzer Zeit wieder. Er ging für eine Weile darauf zu, bis er wieder die Orientierung verloren hatte.
    »Pssst!«
    Das Geräusch ließ Murhab zusammenzucken. War da etwas oder jemand, der auf sich aufmerksam machen wollte?
    »Pssst!«
    Da war es wieder. Das leise Zischen war hinter ihm und es war ganz nah.
    »Pssst! Ihr geht im Kreis«, flüsterte eine Stimme, »dreht Euch um und kommt zu mir.«
    Murhab drehte sich um und ging ein paar Schritte auf die Stimme zu.
    »Bleibt stehen«, sagte die Stimme, »ich bin direkt vor Eurer Nase.«
    Der Kapitän konnte nichts erkennen. Seine Knie zitterten.
    »Wer seid Ihr? Zeigt Euch!«, verlangte Murhab.
    »Das geht leider nicht«, antwortete die Stimme, »das würde mich verraten. Ihr müsst mit meiner Stimme vorlieb nehmen. Ich bin Gahaad. Der erste Krieger der Nno-bei-Maya.«
    »Was für ein Glück!«, jauchzte Murhab erleichtert. »Ich habe Euch gesucht.«
    »Pssst! Nicht so laut«, mahnte die Stimme, »der Nebel könnte uns finden. Oder noch schlimmer, wir wecken die anderen Seelen auf und stören sie in ihrer Ruhe. Das würde ihnen nicht gefallen. Erwischen sie uns, ergeht es uns schlecht und wir werden im Nichts vergehen.«
    »Ich habe verstanden«, flüsterte Murhab. »Saykara schickt mich, Euch beizustehen und zu beschützen. Ich werde Euch aus den Schatten führen, sobald die Zeit gekommen ist.«
    »Wie schön«, sagte die Stimme, »meine Königin hat mich also nicht vergessen. Ich musste alleine im Land des Nebels zurückbleiben, als Tomal mein Volk aus den Schatten ans Licht führte. Und das nur, weil Ulljan mir einst das Herz und das Gehirn geraubt hat. Mein Geist kann nicht in meinen Körper zurück, solange sich mein Herz und mein Gehirn woanders befinden. Ich brauche sie, um wieder leben zu können. Aber es fühlt sich so an, als wären sie noch in weiter Ferne. Wir müssen warten.«
    »Ja, wir müssen warten. Ich bleibe bei Euch, bis es so weit ist.«
    »Das ist gut. Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich Gesellschaft schätze. Ganz besonders hier

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