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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Sapius nur daran dachte, sträubten sich ihm die Nackenhaare und ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Das Zischen und Fauchen der Schatten war ihm unheimlich. Sie waren nicht körperlich, aber in manchen Augenblicken waren sie es doch. Geister, Seelen, was auch immer sie waren. Sie gehörten nicht in diese Welt der Lebenden. In seinem tiefsten Inneren wollte er kein Schattenbeschwörer sein und verabscheute dieses ganz Talent.
    »Aber wer weiß, wozu es gut ist? Vielleicht werde ich die Schatten gegen Thezael brauchen«
, versuchte Sapius, das Beste aus der Situation zu machen,
»ich kann nur hoffen, dass sich die Schatten nicht gegen mich wenden, weil sie mich für zu schwach und ihnen gegenüber für abweisend halten. Was mache ich, wenn sie am Ende doch nur Thezael folgen? Der Praister kennt sich mit den Schatten aus.«
    Wie ein Dieb schlich der Magier durch die Flure des Palastes. Hörte er Stimmen oder Schritte, versteckte er sich in Nischen, hinter Vorhängen, Rüstungen oder Mobiliar. Davon gab es zum Glück reichlich. Allerdings fiel ihm auch auf, dass im Kristallpalast nur wenig Betriebsamkeit herrschte. Bei seinem letzten Besuch war das anders gewesen. Diener waren eifrig durch die Flure gerannt, Wachen hatten ihre Runden gedreht und waren an vielen Türen und Durchgängen postiert. Der Hofstaat war damals groß und glanzvoll. Zahlreiche hochgestellte Klan aus den Fürstenhäusern, ihnen verwandte und befreundete Familien hatten ihr Zuhause am Hofe von Tut-El-Baya gefunden und den Palast bevölkert. Davon war nichts mehr zu bemerken. Der Kristallpalast wirkte wie ausgestorben. Thezael hatte offensichtlich ganze Arbeit geleistet und die meisten Anhänger Jafdabhs sowie die Angehörigen der Fürstenhäuser hinrichten lassen.
    Nachdem Sapius eine Weile in den oberen Palastfluren umhergeirrt, sich hin und wieder versteckt und inzwischen ein- und dasselbe Gemälde schon das dritte Mal voller Bewunderung betrachtet hatte, fand er schließlich Stufen, die ihn in den tieferen Bereich des Kristallpalastes führten. Am unteren Ende der Treppe hörte er Stimmen. Sapius versteckte sich in einer Nische und lauschte. Er war sich sicher, dass es die Stimmen von Praistern waren:
    »Thezael ist außer sich«, sagte eine angenehm sonore Stimme, »freiwillig würde ich im Augenblick nicht in seine Nähe gehen. Er ist ganz besessen von dem Gedanken, den Todeshändler Jafdabh endlich zu fangen.«
    »Jafdabh hat ihm ja auch übel mitgespielt, als er die Regentschaft übernahm. Und nicht nur ihm. Er hat uns Praister verjagt und gedemütigt«, sagte die andere Stimme, die wesentlich heller und blechern klang.
    »Ich weiß nicht … Jafdabh hat keinen einzigen Praister hinrichten lassen. Wir mussten den Palast und die Stadt verlassen, hatten jedoch freies Geleit. Mit Ausnahme von Tut-El-Baya konnten wir hingehen, wo immer wir wollten. Er hat uns nicht verboten, unseren Glauben zu verbreiten und unsere Arbeit zu verrichten«, meinte der Praister mit der dunkleren Stimme.
    »Das stimmt. Aber er nahm uns unsere Macht und den Einfluss. Thezaels ganzes Lebenswerk war zunichte. Wir wurden zu Verfolgten und Geächteten. Unser oberster Praister kann das nicht auf sich beruhen lassen. Er muss Jafdabh gefangen nehmen und über ihn richten. Das Urteil für diesen ketzerischen Verrat kann nur Folter und Tod lauten.«
    »Ich denke, Thezael übertreibt. Er vernachlässigt seine Pflichten als Praister. Wie oft hat er die Schatten in letzter Zeit zu sich gerufen?«
    »Oft!«, räumte der zweite Praister ein. »Sehr oft … nun ja … zu oft.«
    »Ich habe mitgezählt, mindestens dreimal jeden zweiten Tag«, stellte der erste Sprecher fest, »das ist eindeutig zu viel. Er lebt nur noch für seine Rache und verfällt zusehends. Bald sieht er selbst wie ein Schatten aus. Die Schatten werden wütend und beginnen, sich gegen ihn aufzulehnen. Das ist nicht gut. Thezael gefährdet nicht nur sich selbst, sondern uns alle.«
    »Mag sein. Ich weiß nicht, wie stark er wirklich ist. Aber hast du die Geschichte über Tadder und die anderen Praister in seiner Begleitung gehört?«
    »Nein! Was ist geschehen?«
    »Tadder ist tot. Die Schatten haben ihn geholt, während er einen Untreuen auf dem Marktplatz bestrafte. Es gab Augenzeugen, die gesehen haben, wie Tadder starb. Die übrigen Praister wurden erst vor wenigen Horas in einer Gasse gefunden. Ihre Leiber waren zerrissen und angefressen. Eine fürchterliche Bestie muss über sie hergefallen sein

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