Küchenfee
aus kleinen, eng stehenden Häuschen mit buchstäblich handtuchgroßen Vorgärten, die gerade mal Platz für zwei abgestellte Fahrräder boten. Dazwischen verliefen schmale Wege, die beim besten Willen nicht als Straßen zu bezeichnen waren. Wozu auch Straßen, auf Helgoland gab es schließlich keine Autos. Dazu fehlte schlicht der Platz. Lilli kam sich vor wie in einer Spielzeugstadt. Wie klein mussten die Zimmer in den winzigen Häusern sein?
Sie wanderte an einer schier endlosen Reihe von Cafés entlang, alle mit Tischen davor und Blick auf den Hafen. Meike hatte ihr erklärt, dass die Insel während der Hauptsaison täglich zwischen zwölf und sechzehn Uhr von Tagesgästen überschwemmt wäre, die zollfrei einkaufen wollten. Jetzt, am Ende der Saison, waren die Tische vor den Cafés nur spärlich von Touristen besetzt.
Mit ihrem Einkauf im gut sortierten Supermarkt beendete Lilli ihren ersten Inselrundgang. Mittlerweile war sie hungrig geworden. Sie hatte beschlossen, an ihrem ersten Abend auf der Insel nicht auszugehen, sondern die kleine Küche in ihrer Ferienwohnung zu nutzen und beim Essen die zahlreichen Prospekte und Informationsbroschüren zu studieren, die auf dem Esstisch auf sie warteten.
Sie kochte sich eine große Portion Spaghetti mit Pesto Rosso, raspelte frischen Parmesan darüber und schichtete Scheiben von Tomaten und Büffelmozzarella abwechselnd auf einen Dessertteller. Gott sei Dank hatte sie im Supermarkt frische Kräuter kaufen können. Basilikumblätter komplettierten ihr Lieblingsessen.
Als sie alles auf den Tisch stellte, fiel ihr zum ersten Mal der Umschlag mit dem Logo eines Blumenlieferservices auf, der zwischen den Blüten des großen Blumenstraußes steckte. Offenbar war der Strauß nicht, wie Lilli gedacht hatte, eine Aufmerksamkeit ihrer Gastgeber. Irgendjemand hatte ihr diese Chrysanthemen geschickt. Vielleicht Gina? Neugierig riss sie das Kuvert auf und zog die Mitteilung heraus. Sie las: »Liebe Lilli Leihköchin, vermisse Dich, darf ich zu Dir kommen? Mike.« Fassungslos sackte Lilli auf den Stuhl. Ihr Herz schlug rasend schnell. Woher wusste Mike, wo sie war? Sie musste sofort mit ihm sprechen. Mit bebenden Händen wählte sie Mikes Handynummer und wartete atemlos auf seine Stimme.
»Kowalski, guten Tag.«
»Mike! Mike – hier ist Lilli! Ich rufe von Helgoland an!«
»Lilli!« Er klang sehr erleichtert. »Lilli – ich dachte schon, du hast meine Nachricht nicht bekommen – du musst doch schon seit Stunden dort sein! Ich hatte Angst …«
»Dass ich dich nicht sehen will?« Lilli lachte. »Du Dummkopf! Natürlich will ich dich sehen! Ach Mike, ich freue mich so! Ich habe nur die Karte gerade erst gefunden! Wann kommst du?«
»Übermorgen. Ich komme um zwölf Uhr an.«
»Mike, wieso … woher weißt du … ach, ich bin so durcheinander!«
»Lilli – ich erzähl dir alles, wenn ich bei dir bin, ja? Ich fahre Donnerstag ganz früh los, damit ich den Katamaran in … in Dingsbumshaven erreiche.«
»Oh bitte, verpass ihn nicht! Ich werde dich am Kai erwarten – wie eine Seemannsbraut! Und, Mike – pack dir …«
»… einen dicken Pullover ein, ich weiß.« Mike lachte schallend. »Lilli, sei mir nicht böse, aber ich muss noch eine ganze Menge organisieren, bevor ich hier weg kann. Die Hälfte meiner Zeit hat heute Morgen der Lieferservice für die Blumen gefressen. Ich musste stundenlang flehen, bis ich sie überredet hatte, noch heute zu liefern. Ich sehe dich übermorgen, ja?« Er machte eine Pause und sagte dann ernst: »Lilli, ich bin sehr glücklich darüber, dass ich zu dir kommen darf.«
»Mike – ich freue mich auch. Ich habe dir so viel zu erzählen.«
»Bis bald, Lilli.«
»Bis bald.«
Das Gespräch war beendet, und Lilli stand mitten im Raum und zwickte sich in den Arm. Sie konnte kaum glauben, dass sie gerade mit Mike gesprochen hatte. Nicht nur das – er war praktisch schon auf dem Weg zu ihr. Und das Schönste daran war, dass sie auf dieser kleinen, windumtosten Hochseeinsel viel Zeit für sich haben würden.
Lilli setzte sich an den Tisch und stürzte sich mit großem Appetit auf ihre Nudeln. Gleichzeitig blätterte sie die Broschüren über Helgoland durch. Jetzt würde sie alles mit Mike gemeinsam erkunden können. Von Zeit zu Zeit ließ sie das Besteck sinken und starrte selig aus dem Fenster.
Nach dem Essen ließ sie sich ein heißes Bad ein und lag mit geschlossenen Augen im duftenden Schaum. Immer wieder ertappte sie sich dabei, dass
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