Küchenfee
wieder eifrig mit dem Schwanz. Als Lilli wegging, ohne ihn mitzunehmen, starrte er ihr sehnsüchtig hinterher. Lilli kam ein paar Schritte zurück und tätschelte ihm den Kopf. »Wir zwei gehen später’ne Runde, ja? – Dürfen wir?«, fragte sie Helga Janssen.
»Aber klar! Dann habe ich den Kasper wenigstens von den Füßen. Klingeln Sie einfach an.«
Lilli schlenderte den mittlerweile vertrauten Weg zum Supermarkt entlang. Mit ihrer Auswahl ließ sie sich Zeit – sie freute sich darauf, Mike kulinarisch zu verwöhnen. Irgendwann mussten sie unbedingt den legendären Helgoländer Hummer probieren, aber nicht gerade am ersten Abend. Sie würde sich von Frau Janssen das beste Restaurant empfehlen lassen.
Nach ausgiebigem spätem Frühstück mit Tageszeitungen und frischen Brötchen spazierte sie zum Schwimmbad, wo sie den halben Nachmittag mit Schwimmen, einer Massage und einem Kurzbesuch im Solarium verbrachte.
Später ließ sie sich von Carlos über die Insel führen. Das seidige braune Fell des kleinen Hundes flatterte im Wind, während er im Zickzack vor ihr herlief und immer wieder stehen blieb, um auf sie zu warten. Der Blick von der Klippe war überwältigend, auch bei bedecktem Himmel. Die Insel ragte hoch aus dem Meer, und Lilli sah nichts als Wasser, Himmel und Hunderte von Vögeln, die kreischend im Wind segelten. Es war fast wie in einer paradiesischen Parallelwelt, friedlich und von wilder Schönheit. Lilli genoss das Gefühl, weit weg und unerreichbar für ihre Sorgen zu sein, sich treiben zu lassen und gleichzeitig Energie zu tanken. Carlos bellte hell und forderte sie damit unmissverständlich zum Weitergehen auf.
»Na gut, du Despot. Wie der Herr wünschen – gehen wir zurück. Kommst du morgen mit, Mike abholen?«
Carlos bellte wieder und wedelte mit dem Schwanz.
»Alles klar, dann haben wir eine Verabredung.«
Obwohl sie erwartet hatte, vor Aufregung die halbe Nacht wach zu liegen, hatte Lilli tief geschlafen. Nach einer ausgiebigen heißen Dusche hatte sie Brötchen und Tageszeitungen eingekauft. Beim Blick in den Kühlschrank hatte sie allerdings feststellen müssen, dass sie zu nervös war, um etwas essen zu können.
Sie öffnete die Balkontür. Es klarte gerade auf, und erste Flecken blauen Himmels waren zu sehen. Hier und da blitzte die Sonne durch Wolkenfetzen. Lilli sah auf die Uhr. Der Katamaran müsste gerade abgelegt haben.
Wie aufs Stichwort piepste ihr Handy und signalisierte damit den Eingang einer SMS. Und noch ein Piepsen. Sie hatte zwei Nachrichten – eine von Kati und eine von Mike. Kati wollte wissen, wie es ihr ging, und Mike teilte mit, dass der Katamaran gerade gestartet war.
An Kati schrieb sie zurück: »Fühle mich pudelwohl. Wunderschön hier. Bis bald, Grüße an alle … Ma«.
Ihre Antwort an Mike bestand nur aus zwei Worten: »Beeil dich.«
Kapitel 36
Pünktlich stand Lilli am Landungssteg und spähte aufs Meer hinaus. Sie hatte sich den Bollerwagen der Janssens ausgeliehen. Die steife Brise hatte alle Wolken vertrieben und ließ die Sonne von einem stahlblauen Himmel strahlen. Carlos saß kerzengerade neben ihr, die Ohren aufmerksam aufgerichtet.
Endlich tauchte der rote Katamaran am Horizont auf und näherte sich rasch. Lillis Handflächen wurden feucht, und ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Ungeduldig beobachtete sie das Anlegemanöver des riesigen Schiffes.
Die Ausstiegstür öffnete sich. Mike erschien als Dritter. Bei seinem Anblick schlug ihr Magen einen Salto.
Er trug eine schwarze Lederhose und eine ausgeblichene Jeansjacke, darunter einen schwarzen Rollkragenpullover. Seine langen blonden Haare hatte er wie so oft zu einem Zopf geflochten. Er sah sie sofort, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er rannte die Gangway entlang auf sie zu, ließ den großen Seesack von der Schulter rutschen und zog Lilli in seine Arme.
Lange standen sie eng umschlungen da, ohne zu sprechen. An seine Brust gelehnt, hörte sie sein Herz schlagen, stark und ruhig. Endlich.
Ihr kamen die Tränen. Nach der Orientierungslosigkeit der letzten Wochen, nach all den Enttäuschungen und Anstrengungen war ihre Erleichterung so groß, dass sie weiche Knie bekam. Aber Mike hielt sie fest.
Carlos wurde ungeduldig und bellte hell, um auf sich aufmerksam zu machen. Mike lockerte seine Umarmung und sah auf den Hund herunter, der schwanzwedelnd neben ihnen saß.
»Na, wen haben wir denn da? Eifersüchtig, junger
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