Küchenfee
Telefon? Käthe? Hat sie abgelehnt?«
Lilli schüttelte den Kopf. »Das war Gruber. Die Party ist abgesagt.«
»Abgesagt?«, riefen Gina und Mike gleichzeitig.
»Abgesagt.« Lilli seufzte. Ihr Mund war trocken. Sie griff nach ihrer Tasse, ihr Arm fühlte sich bleischwer an.
»Wieso denn? Jetzt erzähl doch!«, rief Gina aufgeregt. »Hat er es sich anders überlegt? Ein besseres Angebot bekommen? Der kann doch nicht einfach … Wir haben doch Vereinbarungen!«
»Stimmt«, sagte Mike. »Wenn ihr einen verbindlichen Auftrag habt …«
Lilli winkte ab. »Nichts dergleichen. Höhere Gewalt, sozusagen. Seine Frau muss ins Krankenhaus. Er möchte nicht feiern, solange es ihr nicht besser geht.«
»Was hat sie denn?«, fragte Gina.
Lilli runzelte die Stirn. »Ist das alles, was dich daran interessiert? Keine Ahnung, was ihr fehlt. Ich habe auch nicht danach gefragt. Aber ich weiß, was uns jetzt fehlt. Ein lukrativer Großauftrag, mit dem wir potentielle Kunden erreichen, die dort zu Gast sind. Und ein Auftrag, der Käthe überzeugt.« Sie stellte die Tasse mit einem Knall auf den Tisch zurück. »Das war’s für uns, Herrschaften. Wäre schön gewesen.«
Gina starrte Lilli stumm an. Mike sagte: »Du willst doch jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen, Lilli? Eine Absage, na und? Du wirst andere Kunden finden. Ihr seid gut.«
»Was heißt das schon.«
»Qualität setzt sich immer durch. Du darfst nicht aufgeben. Das ist nur ein kleiner Rückschlag. Als ich damals …«
»Verdammt, Mike, hör auf. Du lebst allein. Ich habe zwei Töchter zu versorgen. Ich kann mir keine kleinen Rückschläge leisten. Dieser Auftrag war wichtig für uns! Neue Kunden, Käthe … Ach, Mensch, das ist so unfair!«
Lilli starrte auf die Tischplatte. Die Enttäuschung war einfach übermächtig. Eine Träne fiel herab und zerplatzte mit einem leisen Geräusch neben ihrer Kaffeetasse. Gina und Mike sahen sie mitleidig an.
»Guckt mich nicht so an! Ich komme schon klar. Ich brauche nur ein paar Stunden, damit ich mich damit abfinden kann. Warum hätte es auch klappen sollen? Mein Leben liegt in Trümmern, da hat Erfolg nichts zu suchen.«
»Lilli, bitte. Lass dich doch nicht runterziehen. Wenn ich irgendetwas tun kann …?« Mike hatte seine rechte Hand tröstend auf ihre gelegt.
Lilli schüttelte den Kopf. »Im Moment kann niemand etwas tun. Ich brauche ein bisschen Zeit zum Nachdenken.« Sie befreite ihre Hand. »Gina, Mike, seid mir nicht böse, aber – ich möchte jetzt gern allein sein. Bitte.«
Mike erhob sich sofort von seinem Stuhl. »Natürlich, klar. Gina, kann ich dich mitnehmen?«
Gina, die noch immer blass und stumm am Tisch saß, nickte.
Kapitel 18
Lilli war froh, als die beiden gegangen waren. Sie blickte ihnen aus dem Küchenfenster hinterher. Mike hatte den Arm um Ginas Schultern gelegt. Auch Gina hatte geweint, als sie Lilli zum Abschied umarmte.
»Lilli«, hatte sie gemurmelt, »bitte, denk in Ruhe nach, ja? Ruf mich jederzeit an, wenn du reden möchtest.«
Lillis Blick in den Vorgarten verschwamm, als sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten. Ärgerlich schalt sie sich eine dumme, alte Heulsuse.
Was hatte sie sich bloß eingebildet? Hatte sie wirklich gedacht, sie könnte das reibungslos durchziehen? Ein Auftrag nach dem anderen, nur begeisterte Kunden, die Frau, die nach einer Krise von Erfolg zu Erfolg eilt … so etwas gab es nur in Romanen.
Sie ging langsam zum Herd, um sich einen frischen Espresso aufzubrühen, als das private Telefon klingelte.
»Berger.«
»Madame Lilli?«, fragte eine wohlbekannte, tiefe Stimme.
»Monsieur Pierre?« Lilli war so verblüfft, dass sie für einen Moment ihren Kummer vergaß.
»Ja, ich bin’s. Wie geht es Ihnen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er gleich fort: »Sagen Sie, Madame Lilli, sind Sie noch auf Arbeitssuche?«
»Lustig, dass Sie mich das fragen. Ja, seit einer halben Stunde bin ich wieder auf Arbeitssuche, in der Tat.« Lilli erzählte Monsieur Pierre, was in den vergangenen Wochen passiert war. Sogar ihre Zweifel daran, ob Lillis Schlemmerei es jemals schaffen würde, nicht nur sie und ihre Töchter, sondern auf längere Sicht auch Gina zu ernähren, brachen einfach so aus ihr heraus.
»Aber Ihre und Madame Ginas Idee ist richtig gut. Es wäre doch schade …« Er verstummte.
»Natürlich ist es schade«, sagte Lilli. »Manchmal muss man Dinge eben ganz pragmatisch sehen. Und die Vernunft sagt mir, dass ich es lieber lassen sollte. Aber Sie
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