Küchenfee
Fantasie. Warte ab, bis du die Bilder siehst. Komm, Lilli, zeig’s ihm.«
Der Computer war leise summend hochgefahren, und Lilli klickte einen Ordner mit der Bezeichnung »Kanzlei« an. Nacheinander erschienen die Fotos, die den Raum und die Tafel aus wechselnden Perspektiven zeigten. Gina hatte den Tisch mit kugelrunden, lila Zierlauchblüten und Farn dekoriert. Die Stiele des Zierlauchs hatte sie knapp unterhalb der Kugeldolde gekürzt und dann mit den Spitzen der Farnblätter in flachen Schalen zu Gestecken arrangiert, die sie jeweils zwischen zwei gegenüberliegende Gedecke gestellt hatte. Dazwischen hatten kleine Gruppen elfenbeinfarbener, niedriger Blockkerzen in violetten Schalen gestanden. Das schlichte, ebenfalls elfenbeinfarbene Porzellan hatte am Rand einen zarten, maigrünen Streifen. Tischtuch und Servietten, beides aus Leinen, griffen den grünen Farbton auf. Die vier Ecken des Tisches wurden flankiert von mannshohen Kerzenleuchtern, die ebenfalls mit Blockkerzen – diesmal in Maigrün – bestückt waren.
Detailaufnahmen rundeten die Präsentation ab. Die letzten drei Fotos zeigten je ein Platzgedeck mit jeweils einem angerichteten Gang des Menus.
»Wow. Das sieht spitze aus. Absolut edel. Jetzt weiß ich auch, wozu Lilli unbedingt die Schnittlauchblüten brauchte. Und der nächste Auftrag ist beim Polizeipräsidenten? Wollen wir dann heute über eure Bestellung sprechen?«
Lilli nickte. »Die Feier ist in vierzehn Tagen. Eigentlich nicht so kompliziert, nur eben größer. Fünfzig Leute, Gartenparty – das ist der aktuelle Stand der Dinge. Die ganze Logistik ist gebucht, die Rechnungen dafür gehen direkt ans Geburtstagskind.«
»Hört sich doch super an«, sagte Mike. »Wisst ihr denn schon, was ihr an Lebensmitteln braucht?«
»Im Großen und Ganzen ja. Noch nicht bis ins kleinste Detail, aber die Bestellung steht so weit. Und was die Deko angeht …«
Das Telefon im Büro läutete. Lilli sprang auf und rannte quer über den Flur, um das Gespräch anzunehmen, bevor der Anrufbeantworter ansprang.
» Lillis Schlemmerei, guten Tag. Hier spricht Lilli Berger«, meldete sie sich atemlos.
»Ah, Frau Berger, gut, dass ich Sie sofort persönlich erreiche. Hier ist Gruber.«
»Herr Gruber, Sie rufen im perfekten Moment an, falls Sie noch einen speziellen Wunsch für Ihren Geburtstag haben. Ich sitze gerade mit meiner Geschäftspartnerin und unserem Lieferanten zusammen.«
»Ja, Frau Berger, ich rufe in der Tat deswegen an.« Er brach ab und räusperte sich. »Frau Berger, das ist mir jetzt sehr unangenehm, aber ich muss die Feier absagen. Meiner Frau geht es gesundheitlich nicht gut, sie wird in zehn Tagen operiert, Sie verstehen?«
»Ja. Ja, natürlich, Herr Gruber.«
Lilli setzte sich langsam auf den Schreibtischstuhl. Aus der Küche klang das Gelächter von Gina und Mike herüber. Lillis Gedanken rasten. Grubers Absage war ein Schlag in die Magengrube. Gerade noch hatte sie glücklich das erfolgreiche Essen in der Kanzlei gefeiert, und jetzt … »Frau Berger? Es tut mir wirklich leid. Ich werde Sie auf jeden Fall buchen, wenn ich den Geburtstag nachhole. Ich weiß nur noch nicht, wann das sein wird …«
Und wie würde Käthe reagieren? Ausgerechnet der Auftrag, der sie so sehr beeindruckt hatte. Die Stimme des Polizeipräsidenten drang wieder an ihr Ohr.
»… und die Kosten für die Stornierungen übernehme ich selbstverständlich. Und Ihre sonstigen Auslagen, Frau Berger. Schicken Sie bitte Ihre Rechnung.«
»Ich … ja, vielen Dank, aber ich muss das erst einmal überschlagen. Ich weiß das gar nicht aus dem Kopf, Herr Gruber.«
»Wie gesagt, es tut mir wirklich leid. Ich hatte mich sehr darauf gefreut.«
»Ich verstehe Ihre Entscheidung natürlich, Herr Gruber. Die Gesundheit Ihrer Frau geht absolut vor. Melden Sie sich doch, wenn Sie Genaueres über einen möglichen neuen Termin wissen.«
»Das werde ich, Frau Berger, das werde ich sicher. Auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören. Gute Besserung an Ihre Frau.«
Lilli hielt den Hörer noch eine Zeit lang an ihr Ohr, bevor sie ihn langsam auflegte. Aus der Küche hörte sie Gina und Mike lebhaft miteinander diskutieren, ohne zu verstehen, was sie sagten. Dazu war das Rauschen in ihren Ohren zu laut.
»He, Lilli«, sagte Gina, als ihre Freundin sich wieder an den Küchentisch setzte, »Mike hat eine Bombenidee für …« Sie unterbrach sich, als sie Lillis Gesichtsausdruck bemerkte. »Was ist los? Wer war das gerade am
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