Küchenfee
Schreckens und der Erkenntnis.
»Und das Mädchen ist in eurer Klasse?«
»Mandy!« Kati stieß den Namen mit einer derartigen Wut hervor, dass Lilli für einen kurzen Moment gar nicht glauben konnte, dass sie ihre Tochter vor sich hatte.
»Und was ist Mandy für ein Mädchen?«
Kati lachte bitter auf. »Immer bauchfrei, immer meterdick geschminkt – ätzend. Tobi hat immer gesagt, dass er sie total bescheuert findet. Die ist schon lange hinter ihm her, hat ihn ständig angerufen, immer wieder, und wir haben uns darüber kaputtgelacht.« Ein weiterer Tränenstrom folgte. »Ach, Mama, ich weiß gar nicht, warum mir das so viel ausmacht. Tobi ist doch nur ein Freund. Aber ich hätte der blöden Kuh die Augen auskratzen können, wie sie da rumgeschwärmt hat, wie toll sie Tobi findet. So richtig triumphierend. Und Svenja, meine liebe Schwester, die hatte auf einmal unheimlich gute Laune, ich hätte sie an die Wand klatschen können! Ich bin so wütend, Mama, und so verwirrt. Was ist denn bloß los mit mir?«
Lilli nahm Katis Hand und hielt sie fest. »Du bist verliebt, Kleines, das ist los. Und jetzt bist du eifersüchtig, und das ist ein böses, schlimmes Gefühl, das traurig und wütend macht.«
»Hast du dich auch so gefühlt, als du herausgefunden hast, dass Papa mit Vanessa …?«
Lilli nickte. »Genauso. Das Schlimmste ist die Hilflosigkeit, dass du nichts ändern kannst. Und der Schmerz. Es tut richtig weh, seelisch und körperlich.«
»Aber ich bin doch nicht in Tobi verliebt – oder? Bin ich wirklich in Tobi verliebt, Mama?«
»Ich glaube schon, Kleines. Und er findet dich auch nett, das weiß ich.«
Kati schluchzte verzweifelt auf. »Und warum ist er dann mit Mandy zusammen?«
»Bist du denn sicher, dass die beiden ein Paar sind?«
Kati schien die Frage nicht zu verstehen. »Aber sie hat doch bei ihm geschlafen. Ich würde nur dann bei einem Jungen schlafen, wenn ich mit ihm zusammen wäre.«
Lilli wurde wieder einmal bewusst, dass Kati mit ihren siebzehn Jahren wirklich keine Erfahrungen mit Jungs hatte. Sie schien nicht einmal zu ahnen, wie lange Tobi schon in sie verliebt war und wie vergeblich er auf ein Zeichen von ihr gewartet hatte. Und dass er sich jetzt auf dieses andere Mädchen eingelassen hatte, hieß noch lange nicht, dass bei ihm echte Gefühle im Spiel waren.
»Mama, lässt du mich bitte allein?«
»Natürlich, Kleines. Und wenn du etwas brauchst, meldest du dich.«
Aber Kati war schon wieder in Gedanken versunken.
Svenja lag im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaute MTV. Ihr Idol Pink rutschte gerade schaumbedeckt und gewollt ungraziös über die Motorhaube eines Sportwagens. Lilli setzte sich zu Svenja, nahm ihr die Fernbedienung weg und schaltete den Ton auf stumm.
»He, was soll das? Ich will das hören! Das ist der neue Song von Pink.«
»Den kannst du noch tausendmal hören. Ich möchte mit dir sprechen. Es geht um Kati.«
Ein breites Grinsen erschien auf Svenjas Gesicht. »Da hat Kati aber ganz schön dumm geguckt heute Morgen, als ihr geliebter Tobi mit dieser Mandy in die Küche kam. Das habe ich ihr gegönnt, dieser arroganten Ziege. Immer weiß sie alles besser. Geschieht ihr recht.«
»Das finde ich nicht nett von dir, Svenja, dass du so schadenfroh bist. Für Kati war das wirklich schlimm. Sie ist sehr unglücklich.«
»Na und, na und, na und, lalalalala«, sang Svenja fröhlich und völlig unbeeindruckt. »Soll sie doch mal sehen, wie das ist. Immer hackt sie auf mir rum und tut so, als wäre sie schon sooo erwachsen. Und jetzt heult sie wie ein Baby.«
»Svenja, jetzt hör mir mal zu. Ich möchte nicht, dass du Kati damit ärgerst. Wenn ich das auch nur ein einziges Mal höre, kriegen wir zwei mächtig Ärger miteinander. Es ist nicht schön, sich über den Kummer von anderen lustig zu machen.«
»Ja, aber Kati macht das doch auch immer mit mir.«
Lilli verdrehte innerlich die Augen. »Svenja, es besteht ein kleiner Unterschied zwischen deiner Wut, wenn du deine zwanzigste Jacke nicht bekommst, und dem Kummer, den Kati gerade erlebt. Du rennst dann zu Papa und bettelst solange, bis er dir gleich drei Jacken kauft. Du möchtest doch so gern erwachsen sein. Jetzt hast du die Gelegenheit, es mir zu beweisen.«
»Hm.«
»Versprichst du mir, Kati damit in Ruhe zu lassen?«
»Hm.«
»Svenja, das reicht mir nicht. Versprichst du es mir?«
Ganz leise und kaum hörbar kam die Antwort: »Ja.«
»Laut und deutlich, bitte: Ja, ich verspreche es
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