Küchenfee
von dir wissen …«
Die Enttäuschung war überwältigend. Lilli hätte am liebsten sofort das Gespräch beendet. Der Drang, in Tränen auszubrechen, war fast übermächtig.
»Lilli? Bist du noch dran?« Mike wartete offenbar schon einige Zeit auf eine Antwort.
»Ich … hm … na klar bin ich noch dran. Ich war nur kurz abgelenkt, entschuldige bitte.« Sie holte tief Luft und räusperte sich. Sie war heilfroh, dass Mike sie gerade nicht sehen konnte, denn die ersten Tränen rollten ihre Wangen herab. »Die Bestellung, ja … hm … die faxe ich dir spätestens morgen Mittag. Reicht das?«
»Wenn du möchtest. Ich kann aber auch morgen nach dem Markt kurz vorbeikommen.«
Lilli zuckte zusammen. Ihn treffen – wollte sie das? »Du, das wird zeitlich etwas eng. Ich weiß nicht, wann … Also, ich faxe es dir lieber.«
»Hm. Na gut.«
Klang seine Stimme enttäuscht? Oder war es ihre eigene Enttäuschung, die ihr das suggerierte? »Tja, also, ich warte dann auf dein Fax.«
Mike verstummte. Eine Zeit lang schwiegen beide. Lilli kämpfte mit sich, ob sie ihm gegenüber nicht vielleicht doch lieber offen sein sollte, aber dann sagte er: »Na gut. Also. Ich warte dann … Ach, das habe ich schon gesagt, oder? Auf Wiedersehen, Lilli. Bis bald.«
»Bis bald.«
Lilli saß regungslos am Tisch und starrte den stummen Hörer an. Mikes Verhalten ließ keinen anderen Schluss zu: Ihr Lieferant wollte er weiterhin bleiben, doch als ihren Liebhaber sah er sich offenbar nicht mehr, trotz seiner Beteuerungen vor einigen Tagen, wie lange er diese Nacht herbeigesehnt hatte – angeblich.
Waren Männer doch alle gleich? Oder war vielleicht Mikes Freundin wieder in seine Arme zurückgekehrt? Wenn ja, musste sie sich damit abfinden. Aber sie konnte nicht aufhören, an ihre gemeinsame Nacht zu denken.
Kapitel 26
Seufzend legte Lilli das Kochbuch zur Seite und starrte aus dem Küchenfenster. Seit Tagen mühte sie sich damit ab, das passende Menü für ein Dinner für zwei Personen zu finden. Die Kundin, Frau Beckmann, hatte bei ihrem Treffen vor zwei Wochen schrill und aufgeregt auf sie eingeredet. Sie wollte mit dem Essen ihren Mann überraschen. Gleichzeitig schien sie starr vor Angst, er könnte das Menü nicht mögen.
»Wissen Sie, Sie sind mir empfohlen worden. Aber es gibt zwei, drei Dinge zu bedenken. Mein Mann mag kein Paprika und keinen Brokkoli, wir essen beide keinen Spargel und keinen Rosenkohl.« Frau Beckmann hatte sich vorgebeugt und geflüstert, als habe sie Angst, ihr Mann könne sie hören. »Auf keinen Fall Ingwer, verstehen Sie, bloß keine exotischen Gewürze, der Fisch darf keine einzige Gräte enthalten, ach, und nichts Italienisches. Seit dieser Fußball-WM, Sie wissen schon … Ach so, und auf keinen Fall Meeresfrüchte mit Armen oder Augen oder Flossen, und um Gottes Willen nichts Rohes. Am besten, Sie kochen einfach etwas Gutbürgerliches, Bodenständiges. Mein Mann bringt es fertig und lässt alles stehen, und ich kann das dann ausbaden. Es soll doch eine Überraschung zu seinem Sechzigsten sein.« Während ihres Monologes hatte Frau Beckmann nervös ein Taschentuch in ihren Händen geknetet.
Lilli hatte ihr gegenüber gesessen und versucht, nicht die Geduld zu verlieren. Der Block vor ihr hatte sich mit einer endlosen Liste von verbotenen Dingen gefüllt. Sie hatte sich beherrschen müssen, um nicht einfach aufzuspringen und die Frau dort im Café sitzen zu lassen. Stattdessen hatte sie Frau Beckmann freundlich angelächelt und ihr versichert, sie würde jeden Menüvorschlag im Detail mit ihr durchsprechen, damit alles perfekt würde. Seither hatte es mehrere Telefonate gegeben, ohne dass es Lilli gelungen wäre, einen zufriedenstellenden Vorschlag zu machen.
Und jetzt saß sie schon seit dem frühen Morgen über ihren Kochbüchern, und ihr fiel absolut nichts mehr ein.
Vielleicht sollte sie einfach einen Schnittchenteller und einen Mett-Igel machen … Mixed Pickles und Tomaten-Fliegenpilze – und ab geht die Zeitreise zurück in die Sechziger. Die klassische Käseschnitte mit Salzstangen im Gittermuster drüber und dann lecker Paprikapulver darüber.
Oh, Moment, der Herr isst ja kein Paprika …
Das Telefon klingelte.
In Erwartung, dass der Anrufer Frau Beckmann sein würde, atmete Lilli tief durch und griff nach dem Telefon, das neben ihrem Block auf dem Küchentisch lag.
»Lilli Berger, guten Tag.«
»Lilli, bist du es?«
Nicht Frau Beckmann, eindeutig. Lilli kannte die Stimme, aber
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