Küchenfee
Angebot nicht vertraue. Wenn ich sage, für mich oder für uns war klar, dass wir hier gewinnen, hört sich das arrogant an.«
»Tatsache ist, bei der Planung wussten wir nicht einmal, dass es eine Publikumswahl gibt«, schaltete Gina sich ein, »wir wollten uns einfach nur mit unserem Angebot bestmöglich präsentieren.«
»Was Ihnen bravourös gelungen ist«, war wieder die Stimme der Reporterin zu hören. »Aber warum gerade Mittelalter? Sind Sie auf historische Inszenierungen spezialisiert? Frau Berger?«
»Vorweg möchte ich sagen, dass Frau Wilhelmi und ich diese Inszenierungen immer gemeinsam konzipieren. Manchmal kreiert Frau Wilhelmi eine Dekoration, die auf das Menü Bezug nimmt, manchmal ist es umgekehrt, dann koche ich das Essen zum Thema, wenn Sie so wollen.«
»Aha. Interessant. Dann an Sie die Frage, Frau Wilhelmi: Diesmal haben Sie sich für das Thema Mittelalter entschieden. Ihre spektakulärste Dekoration bisher?«
»Das würde ich so nicht sagen«, antwortete Gina. »Jede Dekoration ist einzigartig, egal, ob es sich um einen schön geschmückten Tisch handelt oder ob ich einen ganzen Raum komplett verwandle.«
»Beispiele?«
Gina lachte. »Vielleicht ein Wald im Sitzungssaal einer Kanzlei mitsamt Tieren? Oder ein Römerfest im Theater?«
»Römerfest? Mit altrömischer Küche, Frau Berger? Waren Sie da auch kostümiert?«
Die Kamera schwenkte wieder zu Lilli, die lächelte und sagte: »Ja zu beiden Fragen.«
»Noch eine Sache, die die Hobbyköche unter unseren Zuschauern sicherlich interessieren wird: Kochen Sie nach Kochbüchern?«
Lilli lachte. »Ja und nein. Ich lese sehr gern Kochbücher und besitze bestimmt hundertfünfzig Stück – grob geschätzt. Ich lasse mich gern durch Kollegen inspirieren. Aber ansonsten koche ich eher nach Gefühl. Es fällt mir schwer, die Rezepte dafür aufzuschreiben, da ich schlicht nicht weiß, ob ich zehn oder zwanzig Gramm Salz in einen Eintopf gebe. Da läuft viel über Geschmack, Gefühl und Augenmaß. Und Routine, natürlich. Nur bei bestimmten Süßspeisen oder beim Backen ist es wichtig, aufs Gramm genau zu arbeiten.«
»Und Sie, Frau Wilhelmi, sind also wie gesagt für die Dekorationen zuständig. Wenn Sie gemeinsam eine Veranstaltung planen: Gab es schon einmal Streit, weil Ihr Entwurf Frau Berger nicht gefiel? Oder umgekehrt?«
Lilli und Gina sahen sich verblüfft an und schüttelten den Kopf. »Natürlich nicht«, sagte Gina empört. »Wir streiten uns nicht. Wir stehen ja nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen uns perfekt. Mir würde niemals einfallen, ihr in die Planungen hineinzureden.«
»Und umgekehrt genauso«, fügte Lilli hinzu. »Ich kann mich hundertprozentig auf die Ideen von Gina verlassen.«
»Und kann man Sie beide nur für große Events buchen? Oder auch für kleine Essenseinladungen, bei denen man seine Gäste mit etwas Besonderem überraschen möchte?«
»Wir arbeiten genauso gern für zwei Personen wie für sechzig oder siebzig«, antwortete Lilli. »Wir sind für alles offen.«
Das Bild wechselte und zeigte jetzt Lilli und Gina in dem Moment, als sie Blumensträuße und die Urkunde für die gewonnene Wahl entgegennahmen. Dazu sagte eine Männerstimme aus dem Off: »Und mit diesem Schlusswort entlassen wir die beiden sympathischen Unternehmerinnen in ihren wohlverdienten Feierabend – nach einem langen, harten und ereignisreichen Tag auf der kulinarischen Endverbrauchermesse. Wir gratulieren Lillis Schlemmerei zum Publikumspreis.« Währenddessen war die Adresse ihrer Website eingeblendet.
Lilli drückte die Pausentaste. Das eingefrorene Bild zeigte Gina und sie selbst, strahlend, jede mit einem Blumenstrauß in der Armbeuge, den freien Arm um die Taille der Freundin geschlungen.
Lilli streckte sich auf dem Sofa aus. Sie war todmüde. Als endlich der letzte Besucher die Halle verlassen hatte und der Abbau beginnen konnte, waren auf einmal die Mitarbeiter von Mikes Bauerhof aufgetaucht, um zu helfen. Sie und Gina hatten sich lediglich um das gemietete Geschirr zu kümmern, während Monsieur Pierre die Männer zum Arbeitsbeginn mit einem rustikalen, mittelalterlichen Mahl stärkte, das er rechtzeitig beiseitegestellt hatte, bevor sie ausverkauft waren.
Trotz der unerwarteten Hilfe war es bereits spät am Abend, als sie die Halle verließen.
Bis auf Lilli und Mike saßen alle bereits in ihren Autos. Lilli streckte Mike die Hand hin. »Danke, Mike. Du hast uns sehr geholfen. Und dass deine Leute noch
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