Küchenfee
bin wieder da, Kati. Du kannst Gina weiter helfen. Bist du zurechtgekommen?«
Kati nickte. »Sicher. Der Monsieur hat mich bestens versorgt. Als die Fernsehleute hier waren, hat sich eh nichts gerührt. Alle haben zugeschaut.« Sie sah sich suchend am Stand um. »Habe ich nicht gerade die andere Hälfte der Familie gesehen? Sind die schon wieder weg?«
»Sind mit Oma verabredet. Es gibt Buttercremetorte.«
»Und Svenja ist freiwillig mitgegangen, obwohl sie die Kameras hier gesehen hat?«
»Na ja, freiwillig … Aber, wie gesagt, sie hat eine Verabredung mit Oma. Würdest du wagen, so etwas platzen zu lassen? Ohne triftigen Grund?«
Kati lachte. »Kameras und Mikrofone sollen kein triftiger Grund sein?«
»Für Svenja vielleicht, aber ganz sicher nicht für eure Großmutter. Und jetzt zisch ab.«
»Wenn du Pause machen möchtest …«
»Möchte ich nicht. Wird ja auch schon weniger. Der große Andrang ist vorbei, das wird jetzt immer mehr abflauen. Der Laden hier schließt in knapp zwei Stunden, die Ware ist gut abverkauft, also, kein Problem. Der Abbau wird dann noch mal anstrengend.«
»Wir schaffen das schon.«
»Von wir kann keine Rede sein. Wenn die Halle schließt, gehst du bitteschön nach Hause. Erstens musst du morgen früh zur Schule, und außerdem möchte ich, dass jemand daheim ist, wenn Svenja kommt. Keine Widerrede!«, fügte sie hinzu, als Kati protestieren wollte.
Die restliche Zeit verging rasend schnell. Lilli plauderte mit den Besuchern an ihrem Tresen, beantwortete mit Engelsgeduld alle Fragen, gab Auskunft zu Rezepten, nahm lächelnd Komplimente entgegen und verteilte ihre Visitenkarten. Plötzlich flammten die Scheinwerfer des Fernsehteams wieder auf, ein Mikrofon erschien unter ihrer Nase, und Verena Küpper sagte: »Ihr Stand hat den ersten Platz bei der Publikumswahl gewonnen, herzlichen Glückwunsch! Was sagen Sie dazu, Frau Berger?«
Lilli starrte die Reporterin verblüfft an. »Äh, was haben wir gewonnen?«
»Ach, haben Sie die Hallendurchsage nicht gehört? Sie haben die Publikumswahl gewonnen. Wo ist denn Ihre Partnerin?«
Irgendwer hatte Gina informiert, die sich strahlend neben Lilli stellte und die Glückwünsche huldvoll entgegennahm. Der Veranstalter der Messe und der Wirtschaftsdezernent der Stadt tauchten am Stand auf, bewaffnet mit zwei riesigen Blumensträußen und einer Urkunde. Ein Kometenschweif aus Neugierigen, Fotografen und Lokalreportern folgte ihnen.
Lilli stand inmitten des Trubels, beantwortete Fragen, drehte sich auf Zuruf in die Richtung irgendwelcher Fotografen, verharrte grinsend und händeschüttelnd in jener steifen und verkrampft wirkenden Pose, in der seit Menschengedenken Ausgezeichneter und Gratulant einfroren, während um sie herum Blitzlichter aufflammten – Gina immer neben ihr, einen der Blumensträuße im Arm, ebenso grinsend und ebenso händeschüttelnd. Und die Kamera filmte alles mit.
Spätabends zu Hause sah Lilli sich selbst im Fernsehen. Das Interview am Ende der Veranstaltung war bereits im Regionalfernsehen gezeigt worden. Gott sei Dank hatte Kati es auf Video aufgezeichnet.
Lilli saß auf ihrem Sofa, geduscht und in einen weichen Bademantel eingewickelt, und startete das Video. Sie sah Gina und sich an einem Tisch in ihrem Stand sitzen, flankiert von den pompösen, bunten Blumensträußen. Lilli musste lächeln, als ihr einfiel, was Gina ihr zugeflüstert hatte, nachdem der Veranstalter und der Dezernent wieder verschwunden waren. Gina hatte kichernd geraunt: »Jetzt halt dich fest: Die Sträuße habe ich gestern Morgen im Laden selbst gebunden. Ich wusste gar nicht, dass die für die Messe waren. Ist das nicht saukomisch?«
Die Kamera schwenkte über den ganzen Stand, zeigte Bilder von Monsieur Pierre am Grill, von Mike, der Met in Zinnbecher füllte, von Kati, die Essen servierte. Dann waren wieder Gina und sie am Tisch im Bild. Gina trug noch ihre Haube, Lilli selbst hatte ihre abgenommen. Ein auffallender roter Streifen am Haaransatz erinnerte an deren etwas zu engen Gummizug, wie Lilli entsetzt feststellte. Warum hatte sie niemand darauf hingewiesen, dass sie wie das Opfer einer missglückten Skalpierung aussah?
»Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?«, wurde sie gerade gefragt. Verena Küpper war in dem Beitrag nicht zu sehen, ihre Stimme erklang aus dem Off.
»Was soll ich dazu sagen?«, hörte und sah Lilli sich antworten. »Wenn ich sage, ich habe nicht damit gerechnet, heißt das, dass ich unserem
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